Es war das alpinistische Zeitalter der Direttissimas, Extremkletterer vermassen mit dem Lot die Falllinie vom Gipfel und folgten der Route fadengerade und mit allen Mitteln der damaligen Klettertechnik. Das besprochene Buch erzählt die dramatischste Geschichte aus jener Zeit. Auf Leben und Tod am Eiger.
„Da konntest du an nichts anderes mehr denken, da gab es nur noch eines: hoch, hoch, hoch.“
25. März 1966, zuoberst in der Eigernordwand, auf einer direkten, neuen Route zum 3970 Meter hohen Gipfel, ein infernalischer Schneesturm mit Böen weit über 100 Stundenkilometern und Kälte weit unter dem Gefrierpunkt. Fünf Alpinisten fürchten um ihr Leben, kämpfen sich die letzten Seillängen empor, ihre Zehen und Finger sind gefühllos, die Magen leer. Vorne weg die Deutschen Jörg Lehne und Günther Strobel, etwas weiter unten die Landsleute Sigi Hupfauer und Roland Votteler sowie der Schotte Dougal Haston. Votteler – von ihm stammt das Einstiegszitat – kann den linken Arm nicht mehr brauchen, ein herabfallender Felsblock hat ihm die Schulter zerschlagen. Die einzige Hoffnung, heil aus der Eiger-Hölle zu kommen, ist der Ausstieg zum Gipfel. Vielleicht würden sie dort oben sogar auf Kameraden treffen, die durch die Westflanke aufgestiegen sind, mit etwas zum Beissen und Trinken.
Dramatische Momente am Eiger. Einmal mehr. Minuten, Stunden, Tage, ja Wochen. Am 19. Februar 1966 begannen acht deutsche Alpinisten mit dem Einrichten einer direkten Anstiegslinie durch die Nordwand. Es sollte die erste neue Route in der berühmt-berüchtigten Wand werden, die seit den Durchsteigungsversuchen in den 1930er Jahren 27 Tote gefordert hatte und die im Juli 1938 von einer deutschen und einer österreichischen Seilschaft unter der Führung von Anderl Heckmair erstmals durchklettert wurde, wobei sich die Konkurrenten erst in der oberen Wandhälfte zusammenbanden. Aber die acht Deutschen kämpften vor 50 Jahren nicht alleine gegen die brüchige und vereiste Wand, gegen die Kälte und das miese Wetter, gegen die schlechte Ausrüstung. Nein, da war noch das anglo-amerikanische Team um den charismatischen John Harlin, der von der Idee besessen war, eine Direttissima durch die Eigernordwand zu vollenden.
„The race to climb the direct route up the North Face“: So nennt der englische Reporter Peter Gillman, der damals hautnah das Geschehen mitverfolgte, sein neues, grossartiges und hochspannendes Buch über die Ereignisse in der vertikalen Arena hoch über Grindelwald – und über die damalige Epoche. Daran mitgearbeitet haben seine Frau Leni und der Alpinismushistoriker Jochen Hemmleb, der das Buch auch ins Deutsche übersetzt hat. Die Buchvernissage findet im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung auf der Kleinen Scheidegg statt, am Karfreitag, 25. März. Also auf den Tag genau 50 Jahre später, als Votteler als Letzter der Gipfelmannschaft ganz oben ankam. Mehr noch: Am gleichen Tag wurde in Leysin John Harlin beerdigt. Am 22. März um 15.15 Uhr war das Fixseil gerissen, an dem er zur Spinne aufsteigen wollte.
Peter & Leni Gillman, mit Jochen Hemmleb: Eiger extrem – Das Rennen um die Nordwand-Direttissima. AS Verlag, Zürich 2016, Fr. 29.80.
25. März 2016 im Hotel Bellevue des Alpes auf der Kleinen Scheidegg: grosse Jubiläumsanlass zu „50 Jahre Eiger-Nordwand-Direttissima“, mit John Harlin Junior und den (noch lebenden) Teilnehmern der Eiger-Teams 1966. Beginn um 10 Uhr. Das ganze Programm auf www.as-verlag.ch g Veranstaltungen.