Ein Sommerabend auf dem Balkon

Der Balkon ist wohl zweihundert Meter lang, zwanzig breit. Phantastischer Blick auf die Berge und den See. Was will man mehr? Kleine Reise in die Vergangenheit.

Wir sind dem Wasser entstiegen, wie einst das Leben. Kühl, trotz grosser Hitze. Schon beim Schwimmen haben wir hinaufgeschaut, hoch oben der Balkon, an die gelbgraue Wand geklebt, noch immer im Sonnenglast. Übermorgen ist der längste Tag. Und ich wollte das noch einmal erleben. Einen Sommerabend auf der Galerie. Wie damals, wie in unvergesslichen Tagen.
Das Thermometer bei den Eisenklammern am Zustieg zeigt noch immer dreissig Grad. (Wer hat das eigentlich an die Wand geklebt?) Kein Mensch zu sehen, ist ja wohl klar. Bei dieser Hitze! Trotzdem wundern wir uns, gab es doch eine Zeit, wo «mann/frau» sich traf, an Sommerabenden nach der Arbeit oder dem Baden. Damit es sich anfühlt wie damals, haben wir ein Auto gemietet. Sonst kommen wir im Sommer am Morgen, wenn der Balkon noch im Schatten liegt, die Wand dahinter ausgekühlt. Nur selten Kletterer am Werk. «Triathlon» nennen wir solche Expeditionen. Wir kommen mit dem Bus, wandern die Strasse hinab, klettern, wandern weiter zum Seeufer, Lago Mio, Sprung ins Wasser. Wandern, klettern, schwimmen.
Heute jedoch sind wir aus dem Wasser gekommen, während der ersten Route sind unsere Körper noch frisch. Dann staut sich die Hitze. Trotz Schatten. Roter Kopf, schweissige Hände. Wir bleiben allein. Ein Spinner wohl, der nicht anders kann. Läuft dem Vergangenen hinterher, mit seiner geduldigen Begleiterin. Engelsgeduldig. Doch alles muss stimmen. Und stimmt doch nicht. «Die alten Strassen noch …» Wir denken an die Freunde, Freundinnen, die jetzt anderswo sind. In einer Hütte, hoch im Gebirge vielleicht. Der Mürtschenstock im Abendlicht gegenüber, er steht wie immer. Bleibt uns treu, bleibt uns verbunden. Ein Satz fällt mir ein. «Melancholie ist die Schwester der Nostalgie.»
Dann wandern wir durch den Wald hinab, die Luft noch immer drückend, schwül. Hoffentlich keine Zecken, diesmal! Das Bad im See frischt auf. Dann noch eine winzige Enttäuschung. Die Küche im Lago Mio ist geschlossen, keine Bratwurst mehr auf dem Grill. Ein letzter Nussgipfel noch zum Bier, nicht ganz stilecht und schon ein bisschen trocken. Nochmals schwimmen, Kaffee. Dann ins Auto, heimwärts.

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