Ein privates Tourenbuch, das immerhin in einigen Exemplaren vorliegt. Zum Glück für die Nachsteigenden hat der Verfasser auch noch gefilmt. Sechs Filme sind nun allgemein zugänglich.
«V: Viel Gepäck, magere Tourenbeschreibung, kein Führer, daher diverse unnötige Varianten. Beide Kanten gefilmt. Am Fuori Schuhe mitgenommen, was nicht nötig gewesen wäre. Am Bügeleisen Schuhe mit und 1 Pickel pro Partie. Bügeleisen über den Grat. Allein in der Hütte. Wir sind die Fürsten dieser Welt.»
Was für ein emotionaler Satz im sonst so nüchternen Fahrtenbuch eines Bergsteigers, der in den 1940er Jahren zu den besten der Schweiz zählte: Emil Meier, ETH-Ingenieur aus Wetzikon, 1914 geboren, am 13. August 1950 am Brouillardgrat abgestürzt, weil sich ein Felsblock plötzlich löste. Sein 1955 unter dem Titel „Bergfahrten“ vervielfältigtes Tourenbuch beginnt am 29. Juni 1926 mit „Schulreise 6. Kl. ins Klöntal bis Vorauen. Rückfahrt auf dem See. Schön mit Gewitter.“ und endet mit dem Eintrag zur Überschreitung der Westgruppe in den Engelhörnern am 11. Juni 1950; die letzte Zeile lautet: „W: Sehr schön, aber heiss.“ W steht für Wetter, V für Verhältnisse, B für Bemerkungen und T für Teilnehmer. Diese hiessen bei den Bergeller Kanten vom 2. bis 7. September 1941: Otto Gerecht und Josef Borde für die Nordwestkante an der Sciora di Fuori, nur Gerecht für das Bügeleisen und die Gemelli-Kante an den Pizzi Gemelli. Josef Borde wurde bekannt für seinen Kocher, der für Kenner noch immer als einer der besten und handlichsten gilt. Gerecht seinerseits eröffnete vor allem in den Urner Alpen schwierige Neutouren und stand 1945 mit seinen Gefährten als Erster auf dem Ruchenfensterturm, an dem sich einige Könner vergeblich die Zähne ausgebissen hatten.
In der SAC-Zeitschrift „Die Alpen“ sind vier Berichte von Emil Meier zu finden, so zur Fuori-Kante, zu einer Winterbesteigung des Weisshorns über den Nordgrat und zu einer Besteigung der Dent d’Hérens mit Sommerski. Aber bemerkenswerter noch als das private und öffentliche schriftliche Festhalten schwerer Bergfahrten ist der Kurzsatz im oben wiedergegebenen Zitat: „Beide Kanten gefilmt.“ Sechs Filmrollen von Emil Meier sind als Geschenk in den Bestand der Bündner Kantonsbibliothek gelangt und von dieser digitalisiert worden. Zum 70. Todestag des Alpinisten hat das AV-Medienportal Graubünden die Filme nun zugänglich gemacht, darunter denjenigen vom September 1941 mit den Bergeller Kanten und Besteigungen von Vorderspitze und Gertrudspitze am 4./5. Oktober 1941. Titel dazu im Tourenbuch: „Engelhörner mit Velo und Kino“. Immerhin nahm Emil Meier an jenem Oktoberwochenende schon auch den Zug für die An- und Rückreise von Wetzikon ins Berner Oberland. Stolz notierte er aber: „Von Rosenlaui bis Luzern alles mit Velo in 3½ Std.“.
Drei Touren weiter unten bleibe ich an der Parsenn-Skitour vom 16. November 1941 hängen: „Auskosten der Sonne in der menschenleeren Schwendi-Terrasse. Bis dahin guter Pulverschnee, dann nur noch gefrorene Wiesen mit ca. 5 cm Schnee, was aber nur unser Slalomtraining steigert. Einige Kratzer sind die Folge.“ Umso mehr geniessen wir den heutigen letzten Sommertag. Denn für den 30. August 2020 meldet der Wetterbericht: „Am Sonntag oft stark bewölkt und besonders in den Alpen sowie in der Ostschweiz weiterhin häufig Regen, Schneefallgrenze gegen 2300 bis 2700 Meter sinkend.“
Emil Meier: Bergfahrten. Privatdruck, 1955. Kann zum Beispiel in der Zentralbibliothek Zürich für den Lesesaal ausgeliehen werden; www.nebis.ch. Und hier der Link zum AV-Medienportal, beim Stichwort „Emil Meier“ eingeben: https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/afk/kbg/online/av-portal/Seiten/av-portal.aspx