Der Klettergarten auf der Galerie Weesen-Amden ist wieder offen, unser Glück vollkommen. Fast alles wie einst und doch anders.
So geht es Süchtigen, wenn sie nach dem Entzug wieder Stoff wittern. Den Fels, aus dem die Träume sind. Die Galerie lädt wieder zum Klettern ein, nach fast einem Jahr sind wir zurück, ein warmer Vorfrühlingstag, der See glitzert in der Tiefe, der Schnee auf den Bergen. Da sind wir wieder, wie schon immer, wie schon Nietzsche schrieb, dass alles eine Wiederholung des immer Gleichen sei, und doch ist es nicht mehr gleich, wie einst. Keine bequeme Leiter mehr aufs Galeriedach, sondern ein fast alpiner Abstieg von oben, den der gute Mike Schwitter eingerichtet hat, hier sei ihm Dank! Abseilen! Zurück führt eine Art Klettersteig an einem Fixseil, also nicht alle Kraft beim Klettern verbrauchen, nehmen wir uns vor. Der neue Zustieg zur Galerie wird wohl die Familien mit Säuglingen und Hunden und gaumenden Schwiegermüttern und weiterem Anhang fernhalten. Aber alte Freunde sind wieder da, man grüsst sich, und alle strahlen und auch die Wand strahlt, als hätte sie uns vermisst. Die Wand, sie ist fast die alte, nur ein paar Einstiege sind einen Move kürzer geworden durch die Sanierungsarbeiten, vor andern haben Baumaschinen Felsbrocken aufgehäuft, aber der Rest ist wie einst. Die Wand sogar grösser geworden, weil Gebüsch wegrasiert ist. Ja, und dann fehlen auch die Mäuslein, die wir so lieb gewonnen haben in all den Jahren, die Schlangen und Blindschleichen und Eidechsen und die roten Wanzen, die sich am Fels sonnten. Es fehlen der Sommerflieder, die Erlengebüsche und es fehlen die Feuerlilien auf den Bändern beim Einstieg vom Brillätidi. Der Grund ist kein Naturbiotop mehr, sondern eine Art Steinwüste, vielleicht sieht es so aus, wenn man im Hoggar klettert oder in einem Wadi am Toten Meer.
Aber die Griffe sind noch da und die Haken und Umlenkungen und uns Kletterer interessiert ja bekanntlich die Vertikale und nicht die Horizontale. Also los! Nach einem Jahr sind die Griffe wieder rau geworden, Gufächüssi ist wieder Gufächüssi, noch kein Magnesia ist verschmiert worden und die unsägliche Sitte des Markierens von Griffen mit weissen Punkten hat noch nicht wieder begonnen. Aber man weiss ja, alles wird wieder kommen, das Magnesia und die Eidechsen und der Sommerflieder und vielleicht gar die Schwiegermütter mit den Kleinen im Traggestell. Doch heute kann uns nichts das Glück dieser Wiederkehr trüben, gar nichts. Wir haben unseren Stoff wieder.