Mit dem Engadin verbindet Robert Bösch eine lebenslange Beziehung als Alpinist und Fotograf. Nun zeigt er in einem grossformatigen Bildband sein «Engiadina».
«Das Engadin ist ein in Jahrtausenden aus Stein, Luft, Wasser, Eis und Licht geformtes alpines Landschafts-Klischee. Und das wollte ich mit meinen Bildern nicht zeigen. Für mich muss Fotografie über das hinausgehen, was ich sehe, was einfach schön ist, was ich auch mit dem Handy festhalten kann. Fotografieren bedeutet für mich, Bilder zu kreieren, die erst entstehen durch mich, durch meine Kamera, durch den von mir festgelegten Ausschnitt und Moment.»
Schreibt der bekannte Schweizer Fotograf Robert Bösch in seinem jüngsten Werk „Engiadina“. Ein rundum beeindruckendes Buch: Format 38 x 27 x 3 cm, 264 Seiten, ganz feines Papier (für die Insider: Lessebo Rough White 150 g/m2 und Freelife Merida Graphite 140 g/m2), die Texte „Wo die Götter Täler drehen“ von Bösch und „Engiadina – das Tal der Lärchen“ von Angelika Affentranger-Kirchrath, in Deutsch und Englisch. Und das Wichtigste natürlich: 112 grossformatige schwarzweisse und farbige Fotografien. Nochmals der Künstler: „Ich wollte Bilder zeigen, die ich entdeckt habe und denen ich erst mit meiner Kamera eine Existenz verlieh. Bilder, die, so hoffe ich zumindest, als Gesamtes die Atmosphäre dieser einmaligen Gebirgslandschaft wiedergeben.“
Das erste Bild als Einstieg ins Buch: Ein um 90 Grad gedrehtes, schwarzweisses Foto des Silsersees, in dem sich das frisch verschneite Gebirge spiegelt. Das zweite Bild: ein im Nebel kaum sichtbarer Berg auf einer randlosen Doppelseite. Das dritte Bild, nach den beiden Texten: ein seitengrosser blauer Himmel, heller gegen unten. Das vierte Bild: nochmals dieses blaue Himmelszelt, mit einer gelben, halb gezeigten Lärche im linken Drittel. So grandios, überraschend und stimmig beginnt Robert Bösch seine Bilderreise durchs Engadin. Sein Engadin, zu dem er eine über vierzigjährige Beziehung hat, als Alpinist, als Fotograf, als zeitweiliger Bewohner eines Hauses in Maloja, diesem so ganz besonderen Dorf am Übergang vom Engadin ins Bergell, unweit des Pass Lunghin, der Wasserscheide zwischen Nordsee, Mittelmeer und Schwarzem Meer. Auf den Seiten 210-211 stehen wir am Rande des vielfarbig-felsigen Passgeländes und sehen, wohin die Regentropfen fliessen werden, die sich in den Wolken am oberen Bildrand ankünden.
La bella Engiadina da Robert Bösch: Er nimmt uns mit auf eine fotografische Tour durchs Engadin, wie man sie noch nie gesehen hat. Dabei ist dieses Hochgebirgstal so oft fotografiert, gemalt und beschrieben worden wie kaum eine andere Landschaft in der Schweiz. Albert Steiner, Giovanni Segantini, Jakob Christoph Heer, um nur drei Namen zu nennen. Ein neues, ein anderes Engadin entsteht vor unseren Augen, ein wildes, ursprüngliches und gebirgiges. Die Lärchen im Schneefall, immer wieder aufgenommen, bis hin zu fast abstrakten Aufnahmen. Variationen desselben Sujets, das wir von andern Bildgestaltern kennen. Die letzten Gletscher, urwüchsig noch, zerrissen – und chancenlos im Klimawandel. Auch die Gletscherabdeckung auf der Diavolezza (Seiten 170-171) wird ihn nicht aufhalten können. Der Biancograt aber, der kurvt noch firnig gegen den Piz Bernina hoch, immer wieder. Das letzte Bild im Buch: nochmals der Biancograt, schwarzweiss, aber unscharf aufgenommen. Mir persönlich gefällt das Bild mir der herbstlichen Lärche vor blauem Himmel besser.
Robert Bösch: Engiadina. Mit Texten von Robert Bösch und Angelika Affentranger-Kirchrath (deutsch und englisch). Edition Robert Bösch, Oberägeri 2021. Fr. 150.- Bestellen bei: info@robertboesch.ch. Weitere Infos unter www.robertboesch.ch.
Ausstellung zum Buch „Engiadina“ vom 4. November bis 18. Dezember 2021 in der Galerie Petra Gut Contemporary an der Nüschelerstrasse 31 in 8001 Zürich. Öffnungszeiten: Mo – Fr 11:00 – 18:00, Sa 11:00 – 16:00. Vernissage am Mittwoch, 3. November. Anmeldung unter https://petragut.com/de.