Frau am Berg – aus den Fräuleins und «Meitscheni» sind selbstbewusste und starke Leaderinnen geworden. Eigentlich waren sie das ja schon seit es Berge gibt, nur hat Mann sie früher von Felswänden und Clubhütten ferngehalten oder ihre Leistungen totgeschwiegen. Nun, die neuen starken Frauen schweigen nicht mehr. Das neueste Buch über Frauenbergsteigen ist eine Geschichte des Bergsteigens überhaupt geworden.
„Unsere Frauen und Meitscheni gehören in die Clubhütten im Tal, wo sie unsere Clubgenossen zu erziehen haben, und nicht zu uns in die Clubhütten am Gletscherrand.“
Edmund von Steiger, Berner Regierungsrat und Mitglied des Schweizer Alpen-Club, 1881 über bergsteigende Frauen.
“The snow was very soft, and, as we were only a party of two, I had to prod for crevasses with great care, as it would have been difficult for my companion to pull me out had I fallen trough. (…) My friend began to find the heat and glare almost unbearable, and had often to stop and rest.”
Burnaby, Mrs. Fred [Elizabeth Main]: High Life and Towers of Silence. Sampson Low, Marston, Searle & Rivington, London 1886.
Mitte Mai 1883 wollte die 22jährige Elizabeth Main mit einem alpinistisch unbedarften, doch „energetic young English clergyman“ die klassische Drei-Pässe-Tour rund um die Aiguille du Chardonnet bei Chamonix wiederholen. Kein Spaziergang, sondern eine Hochtour über spaltenreiche Gletscher. Höchstwahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte des Alpinismus, dass eine Frau einen Mann durchs Hochgebirge führte. Und sicher das erste Mal, dass sie darüber Zeugnis ablegte. Dabei waren die Verhältnisse alles andere als gut: weicher Schnee, der in der grossen Hitze nur noch weicher wurde, dazu Nebel, der die Sicht auf ein Minimum reduzierte. Die Zweierseilschaft erreichte denn auch bloss den Col du Tour (3281 m). Für den Weiterweg über Fenêtre de Saleina und Col du Chardonnet war es zu spät. Also Abstieg wie Aufstieg, und irgendwo zwischen Moränengeröll und Erlenstauden brach die Nacht herein. Das Schlimmste waren freilich die Nachwehen: Wegen des fürchterlichen Sonnenbrandes konnten die beiden Gletschertouristen das Hotel tagelang nicht verlassen.
„Gemach, Fräulein Boulaz! Der Eiger ist stärker als Sie! Sie schaden Ihrer sportlichen Karriere und schädigen den Ruf der Schweizer Bergsteiger, unter die Sie kraft Ihrer schönen und bisher glücklichen Leistungen zu zählen die Ehre haben. Hoffentlich rettet Sie schlechtes Wetter vor dem Verderben, das Ihnen fast sicher ist, wenn sie in die Eigerwand mit dem Willen einsteigen, den unmittelbaren Durchstieg zu forcieren. Überlassen Sie dieses frevle Spiel mit dem Tod den irrgeleiteten Ehrgeizigen, die ihr Leben für eine Wahnidee in die Schanze schlagen wollen. Sagen sie nicht, es gehe uns nichts an, was Sie unternähmen. Sie fordern die Öffentlichkeit durch Ihr Tun heraus!“
Othmar Gurtner: Im Schlagschatten der Eigerwand, in: Sport (Zürich), 19.7.1937. Die Genferin Loulou Boulaz, Zweitdurchsteigerin der Nordwände von Grandes Jorasses und Dru sowie Mitglied des Schweizer Damen-Skiteam, unternahm im Juli 1937 mit Pierre Bonnant einen Durchsteigungsversuch der noch undurchstiegenen Eigernordwand.
„Auf meinen Protest hin antwortete Othmar Gurtner, es würde den Berg beleidigen, wenn man ihn besiegen wolle, und dass die vollständige Vernichtung, wofür die Wand sorgen werde, mich in der öffentlichen Meinung ganz gewiss nicht an die Seite einer Jeanne d’Arc oder Maria Stuart stellen werde. Überflüssig zu sagen, dass die Gedanken dieser beiden Damen für die Ausarbeitung meiner Tourenpläne nie eine Rolle gespielt haben.“
Loulou Boulaz: Le goût du risque, in: Frohe Stunden im Schnee. Herausgegeben vom Schweizerischen Damen-Skiklub, Verlag Hallwag, Bern 1939. Loulou Boulaz kletterte bis weit in die 1960er Jahre auf höchstem Niveau. 1962 hätte es für die bemerkenswerte Alpinistin beinahe zur ersten Damenbegehung der Eigerwand gereicht, doch ein Wettersturz erzwang den Rückzug hoch aus der Wand.
„Im Normalfall heiratet ein 22jähriges Fräulein bald. Hat sie nun das Glück, sich mit einem Bergsteiger zu verehelichen, so braucht sie sicher auf das Bergsteigen nicht zu verzichten. Heiratet sie einen Nichtbergsteiger, so hängt auch sie das Bergsteigen an den berühmten Nagel (sehr wenige Ausnahmen bestätigen die Regel).“
Willy Schweizer: Zur Aufnahme der Mädchen in den SAC, in: Die Alpen. Zeitschrift des Schweizer Alpen-Clubs 1970. Schweizer, Chef der Jugendorganisation der SAC-Sektion Toggenburg, begründet im Artikel, weshalb er dagegen ist, dass Mädchen in den SAC aufgenommen werden, auch wenn sie in der JO waren. Die wenigen Fräulein, die nicht heiraten, so der Autor, könnten ja dem Schweizer Frauen Alpen-Club beitreten.
Das genügt! Fünf hübsche und weniger hübsche Zitate zum Thema Frau (und Mann) am Berg aus 90 Jahren Alpinismusgeschichte. Denn nun kommt ein Buch heraus, das diese ganz besondere Geschichte ganz besonders gut aufrollt, beleuchtet, hinterfragt, wiedergibt und teilweise überhaupt erst entdeckt. Das Buch heisst: „Erste am Seil. Pionierinnen in Fels und Eis. Wenn Frauen in den Bergen ihren eigenen Weg gehen“. Verfasst haben das neue Standardwerk zur Geschichte des Frauenalpinismus, ja zur Geschichte des Bergsteigens überhaupt, die beiden Journalistinnen und Alpinistinnen Caroline Fink und Karin Steinbach – eine starke Seilschaft in Fels und Firn, Papier und Tinte. In 26 lebhaften Portraits von Frauen aus aller Welt sowie mit Hintergrundtexten dokumentiert das in dreijähriger Arbeit entstandene Buch die Geschichte des Frauenbergsteigens von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu den Höhenbergsteigerinnen und Spitzenkletterinnen von heute. Spannend, fundiert, einfühlsam, pointiert, stark bebildert. Einfach obenuse, wie man im Berndeutschen sagt.
Edmund, Othmar und Willy: Packt das Seil ein, steigt ins Tal ab und überlässt die Seillängen Elizabeth & Loulou, Caroline & Karin.
Caroline Fink, Karin Steinbach: Erste am Seil. Pionierinnen in Fels und Eis. Wenn Frauen in den Bergen ihren eigenen Weg gehen. Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2013, Fr. 39.-
Buchpräsentationen:
Innsbruck: 18. September, 19 Uhr, Alpenvereinsmuseum; Gespräch mit Lisi Steurer, Berg- und Skiführerin, und Helma Schimke, Pionierin des Frauenbergsteigens.
München: 19. September, 19.30 Uhr, Alpines Museum; Gespräch mit der Sportklettererin und Wissenschaftlerin Andrea Eisenhut und mit Lisi Steurer.
Zermatt: 4. Oktober, 19.30 Uhr, Matterhorn Museum; audiovisuelle Stationen von Schauspielerin Regula Imboden und Caroline Fink sowie ein Gespräch, moderiert von Radiomann Michael Ganz.
Davos: 16. Oktober, Apéro ab 18.30, Präsentation 19.00 Uhr, Salewa-Shop; audiovisuelle Präsentation und Gespräch über das Buch.
Grindelwald: 18. Oktober, Apéro ab 18.30, Präsentation 19.00 Uhr, Salewa-Shop; audiovisuelle Präsentation und Gespräch über das Buch, als Gast dabei ist Spitzenkletterin Barbara Büschlen.