Eselsweg

Wandern sei ja auch schön, haben wir vernommen – und uns auf Wanderliteratur gestürzt. Im Vinschgau sind wir hängen geblieben. Nicht für immer, aber für vier heisse Wandertage.


Nach einer Viertelstunde das erste Mal verlaufen, also auf einer Wegspur einen steilen Grashang hinaufgestapft, die Vier-Tages-Rucksäcke drücken. Nach der Burgruine Rotund hoch über Taufers gehts dann beschaulich auf und ab auf gutem Weg. Eselsweg heisst er, Lasttiere sind wir auch. Na, es geht ja, meist sogar bergab dem Hang entlang, durch lichten Lärchenwald, durch Runsen und über Weiden. Schöne Sicht aufs untere Münstertal und hinaus ins obere Vinschgau. Irgendwo tief unten das Schlachtfeld der Calven, wir erinnern uns an den Geschichtsunterricht in der Primarschule, Benedikt Fontana hat da gegen die bösen Österreicher gekämpft, in einer Hand die Fahne, mit der andern hielt er sich den aufgeschlitzten Bauch, aus dem schon die Gedärme quollen, wie er das Schwert hielt oder den Spiess weiss ich nicht mehr. Wandern ist erinnern, lernen wir. Wandern bildet. Der Eselsweg heisst neuerdings Stundenweg und ist mit Informationstafeln ausgestattet über Fauna, Flora, Gelände und Geschichte. Wir lesen, ja, wir lesen. Nun bin ich ja absolut kein Freund dieser Themenwege, von denen es mittlerweile nirgendwo mehr ein Entrinnen gibt. Aber dieser Stundenweg hat uns – ehrlich – begeistert. www.stundenweg.it
Die Texte sind poetisch, witzig, informativ. Ein Autor, eine Autorin ist nicht vermerkt, vielleicht ist es Gemeinschaftswerk. Und dass es ein Buch gibt, haben wir leider nicht gewusst. Bei den Tafeln meist auch ein Bänklein, kurze Rast, Gedanken und den Blick schweifen lassen. Ja, warum nicht mal wieder wandern. Das letzte Mal, wir erinnern uns, waren wir im Jura für mehrere Tage unterwegs – vor 43 Jahren.
In Schleis, unserem Tagesziel, wird gerade «Alpabtrieb» gefeiert. Die Kühe sind schon im Stall, aber auf dem letzten Wegstück sind wir um ihre Fladen gekurvt. Männer stehen um die Bierbar bei der Kirche, ältere Leute sitzen etwas verloren auf Bänken und essen Schüttelbrot und Alpkäse. Bei einem Glas Weissen und Kuchen – gereicht von der Dorfschönen in Tracht – brummen uns nur noch die Fliegen um die Köpfe, die der Herde und uns vom Berg ins Tal gefolgt sind.

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