Festungen in der Schweiz

Einer Festung glich Davos wegen des WEF in den letzten Tagen. In der Schweiz gibt es aber Festungen, die länger Bestand haben. Auch wenn die meisten von ihnen spätestens seit 1989 ihren eigentlichen Zweck verloren haben. Ein Bildband stellt helvetische Festungsbauten aus dem 19. und 20. Jahrhundert vor, von der Ajoie bis nach Andermatt.

Stöckli, 2483 m
Prächtiger Aussichtspunkt, von allen Seiten leicht zu erreichen, besonders von der Oberalp aus häufig besucht. Annäherung an das ca. 200 m weiter südlich auf dem Grat gelegene Fort Stöckli verboten!

Verstanden? Jawohl Korporal! Der Befehl stammt aus dem ersten Band des „Führer durch die Urner-Alpen“, verfasst vom Akademischen Alpen-Club Zürich und 1905 erstmals erschienen. Passend zum Annäherungsverbot war das Fort auf der Landeskarte der Schweiz bis 1989 nicht vorhanden. Heute ist die ganze Anlage sauber eingezeichnet, am bequemsten digital einsehbar: http://maps.geo.admin.ch; mit dem per Mausklick verfügbaren Luftbild kann gar der Verlauf der Schützengräben genau verfolgt werden.

Bis vor ein paar Wochen kannte ich das Fort Stöckli zuoberst im sonnigen Skigebiet Nätschen ob Andermatt nicht; einer der Lifte heisst Stöckli. Dabei „versteckt“ sich dort oben eine ganz besondere Anlage, wie der Mitte Dezember 2017 herausgekommene Bildband „Festungen der Schweiz“ verrät: „Das Fort Stöckli gehörte zu den ehemals bedeutenden Werken der schweizerischen Landesverteidigung. Neben dem Fort Chaberton (3130 m. ü. M.) in den französischen Westalpen zählt das mit Fort mit einer Höhenlage von rund 2400 m. ü. M. zu den höchstgelegenen Festungen im ausgehenden 19. Jahrhundert.“ Es hat sich gut erhalten, wie die acht Fotos zeigen. Unter feindlichen Beschuss kam es nie, nur sozusagen unter internen, denn es erreichte die gesetzten militärischen Ziele nicht. Mit ein Grund, warum um Andermatt herum so viele sicht- und unsichtbare Festungen entstanden sind, auf Gipfeln und tief im Berginnern. Aber nicht nur rund um den Gotthard; die ganze Schweiz wurde im 19. und 20. Jahrhundert von Tausenden von militärischen Festungsbauten überzogen und durchlöchert. Einen Teil von ihnen dokumentiert der Bildband, den die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte nun vorlegt.

Kunstgeschichte und Bunker? Klar doch! Diese Festungen gehören zum architektonischen Kulturerbe der Schweiz wie Kirchen, Hotels und Chalets, einfach von der Öffentlichkeit weniger beachtet, verständlicherweise. Wobei: Gerade die im Zweiten Weltkrieg betonierten Bunker wurden oft als Chalets getarnt. Die Tarnung ist mehrheitlich geblieben, der eigentliche Zweck aber ging verloren, wie beim Fort Stöckli schon lange. Seit dem Ende des Kalten Kriegs werden viele Anlagen nicht mehr militärisch genutzt. Thomas Bitterli, Juri Jaquemet und Maurice Lovisa stellen eine Auswahl wichtiger Bauten aus der ganzen Schweiz vor und gehen auf Fakten zur Geschichte, Architektur und aktuellen Nutzung ein. Rund 150 Fotografien von Michael Peuckert zeigen die besondere Ästhetik der Anlagen und geben faszinierende Einblicke in eine meistens verborgene Welt. Ausführlichere Bildlegenden wären da und dort hilfreich, Kartenausschnitte mit den einst geheimen Objekten immer. Denn heute darf man sich ihnen annähern.

Thomas Bitterli, Juri Jaquemet, Maurice Lovisa (Text), Michael Peuckert (Fotos): Festungen in der Schweiz – Fortifications de Suisse. Reihe Pages blanches. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2017, Fr. 90.-, www.gsk.ch

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