Ein reich bebildertes Ergebnis eines geografischen Grossprojektes. Für Fachleute und Flussläufer.
«Ich bin ein Kind der Aare. Sie ist der schönste Fluss der Schweiz, unscheinbar, aber lieblich anzuschauen. Sie entspringt den Gletschern des Berner Oberlandes, flieβt durch das westliche Mittelland und erreicht bei Murgenthal den Aargau. Bei Aarburg durchbricht sie den ersten Jurariegel.»
So beginnt die 2018 erschienene Autobiographie „Kind der Aare“ des Aargauer Schriftstellers Hansjörg Schneider. Ich las sie im Chalet Riederhorn auf der Riederalp, 1186 Meter oberhalb der Rhone bzw. des Rotten, wie der 812 Kilometer lange Fluss im Oberwallis genannt wird. Seine Länge im Alpenraum beträgt 254 Kilometer, deutlich mehr als der Rhein (167 km) oder gar die Aare (95 km). Da ist sogar die Alpenreuss 5 km länger als der schöne, grüne Berner, Solothurner und Aargauer Fluss. Der mit Abstand längste Alpenfluss, der in der Schweiz entspringt, ist allerdings der Inn: Von seinen insgesamt 517 Kilometern liegen deren 373 im Alpenbogen. Diese Zahlen entnehme ich dem in jeder Hinsicht gewichtigen Buch „Flüsse der Alpen“, das am Donnerstag, 20.2.20, in der Aarehauptstadt Bern vorgestellt wird.
„Flüsse der Alpen“ bündelt das Fachwissen von mehr als 140 Autorinnen und Autoren aus sechs der acht Alpenländer. 34 Kapitel beschreiben Entstehung und Funktionen von Flüssen, ihren ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellenwert in Geschichte und Gegenwart, das Ausmass und die Folgewirkungen menschlicher Nutzungen, sowie den Abstimmungsbedarf von Schutz- und Nutzungsinteressen. Detaillierte Portraits von 54 Flüssen bieten einen raschen Überblick und präsentieren die jeweiligen Besonderheiten. Aus der Schweiz sind dies neben den schon oben erwähnten fünf noch folgende acht Flüsse: Grosse und Kleine Emme, Kander, Linth, Maggia, Saane, Ticino und – etwas überraschend – die Vispa; sie besteht aus den zwei Armen Saaser und Matter Vispa, die sich in Stalden zur Vispa vereinigen und nach rund 35 Kilometern in die Rhone ergiessen. Ein berühmter und viel besungener Fluss, der in den Alpen entspringt, wird zu Recht nicht porträtiert: Der 652 Kilometer lange Po, der von der Quelle am Monviso grad knapp 20 Kilometer in seine Ebene braucht.
„Wir haben uns bewusst entschieden, ein Buch zu machen, das auch Nicht-Fachleute gerne lesen wollen“, sagt Mitherausgeber Prof. Dr. Dominik Siegrist, Leiter des Instituts für Landschaft und Freiraum der Hochschule für Technik Rapperswil HSR. Das sieht man dem rund 512 Seiten starken und knapp zwei Kilos schweren Werk auch an. Zahlreiche, meist farbige Fotos machen die Flussräume der Alpen spürbar, spannende Karten und Grafiken bieten nützliche Zusatzinformationen. Und spätestens bei den Fluss-Portraits wird die Neugier geweckt. Wenn vielleicht nicht unbedingt bei der Aare, dann sicher bei der Adda, der Ammer/Amper oder des Avisio. Und ganz sicher bei der Arve, die 100 Meter jenseits der Schweizer Grenze entspringt und auf den letzten ihrer 108 Kilometer durch den Kanton Genf fliesst, bevor sie sich gebirgstrüb dem klaren Seeausfluss namens Le Rhône ergibt.
Susanne Muhar (Hrsg.) / Andreas Muhar (Hrsg.) / Dominik Siegrist (Hrsg.) / Gregory Egger (Hrsg.): Flüsse der Alpen. Vielfalt in Natur und Kultur. Haupt Verlag, Bern 2019, Fr. 58.- Gibt es auch in einer englischen Ausgabe: Rivers of the Alps. Diversity in Nature and Cultur.
Buchvernissage „Flüsse der Alpen“ am Donnerstag, 20. Februar 2020, um 19 Uhr im Atelier 14B der Buchhandlung Haupt am Falkenplatz 14 in Bern. Paul Moser, Violine, und Rosemarie Burri, Piano, begleiten den Anlass. Aus organisatorischen und Platzgründen wird um Anmeldung an presse@haupt.ch oder 031 309 09 00 gebeten.