Franz Hohler

Schriftsteller, Kabarettist, Cellist Franz und begeisterter und ausdauernder Bergsteiger.

hohler


Auf dem Weisshorn stand er mit seinem Bergführer am Tag der Sonnenfinsternis vom 11. August 1999, im Tiefland fiel Regen, der Himmel war bedeckt. Franz jedoch, angeseilt ans Gipfelsignal mit dem gekreuzigten Jesus, schwebte über den Wolken. Und stellte sich vor – literarisch, erst am Schreibtisch vielleicht – wie es wäre, wenn die Sonne nicht mehr hinter dem Mond hervorkröche. Ein Motiv, zu dem ihn der Roman «Wenn die Sonne nicht wiederkäme»  des Walliser Dichters Charles Ferdinand Ramuz inspiriert haben könnte:
«Dann wäre vielleicht unter dem Wolkenmeer nichts mehr von der Welt, die ich kenne, übrig geblieben, und wir zwei hätten irgendwo am Meeresufer des Weisshorns verharren müssen und wären, wenn wir unsere letzten Dörrfrüchte gegessen, unseren letzten Tee getrunken und unsere letzten Notrufe durchgegeben hätten, ohne dass ein Helikopter mit rettendem Knattern erschienen wäre, auf den untersten Sprossen der Himmelsleiter langsam zu grauen Gestalten erstarrt, aneinander geseilt, mit Steigeisen an den Füssen und Eispickeln in den Händen, ein rätselhafter Anblick dereinst, für Astronauten aus fernen Galaxien.» (Aus: Hohler: Zur Mündung.)
«Ein Weltuntergang» heisst die Geschichte vom Weisshorn, er nennt es seinen «grossen Traumberg», als er die weisse Pyramide vom Eiger und vom Mönch aus erblickt. Ein Jahr später hat sich sein grosser Traum erfüllt. Und die Welt ist nicht untergegangen.

Seine ersten Hochgebirgstouren hatte Franz Hohler nach der Matura an der Kantonsschule Aarau mit seinem Deutschlehrer, einem passionierten Bergsteiger, unternommen. Nach einigen Jahre Unterbruch hat er mit diesem Ludwig den Glärnisch bestiegen, zur «alpinistischen Wiedereingliederung». Er wohnte damals in Uetikon am Zürichsee, hatte den «König des Horizonts» ständig vor Augen, das sagenumwobene rechteckige Schneefeld des Vrenelisgärtli blinkte und lockte.
«Eine ganz gewöhnliche Bergtour.
Darf man über so etwas überhaupt schreiben? Mit dem Berg ist doch das Drama verbunden, Rettungen in letzter Minute, die hauchdünne Trennlinie zwischen Glück und Unglück, Hans Morgenthaler hat sich am Tödi ein paar Finger erfroren, Reinhold Messner musste am Nanga Parbat seinen Bruder zurücklassen, und Mallorys Leiche liegt heute noch an der Nordflanke des Mount Everest.
Doch, darüber darf man schreiben.
Denn wenn ich zu Berg gehe, wünsche ich mir nichts inniger, als dass das Drama ausbleibt, ich wünsche, dass mir der Berg freundlich gesinnt ist, dass der Gletscher nicht gefrässig ist, dass der Himmel für mich und meine Gefährten sein bestes Blau bereithält, dass der Permafrost die Felsblöcke über unsern Köpfen nicht loslässt und wir einen schönen Tag in der Höhe erleben. Die Geschichten, bei denen zuletzt jemand benachrichtigt werden muss, lese ich bei Jon Krakauer oder Heinrich Harrer, aber ich selbst möchte auf keinen Fall solche Geschichten erzählen müssen. Zwei grosse Blasen an den Fersen genügen mir als Zeichen für das Unalltägliche.» (Aus: Zopfi: Glärnisch. Rosen auf Vrenelis Gärtli.)

Auszug aus Zopfi Emil: Dichter am Berg. Alpine Literatur aus der Schweiz. AS-Verlag, Zürich 2009

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