Ein neues Buch zur weiblichen Alpingeschichte auf den Fersen von Bergsteigerinnen, Wissenschaftlerinnen, Wirtinnen und Trägerinnen, die in den Bergen ihr Leben, ihre Leidenschaft oder ihren kargen Lohn fanden. Und ein paar männliche Stimmen dazu von vorgestern.
„Heute hat sich die Frau einen sehr guten Platz in den meisten Sportarten erobert. Manchmal steht ihre Leistung der des Mannes kaum nach.
Beim Alpinismus ist es anders. Wohl gehen viele Frauen und Mädchen in die Berge, doch nie können sie männlichen Bergsteigern ebenbürtig werden. In ganz seltenen Fällen gab und gibt es Alpinistinnen, die an Können männlichen Bergsteigern nahekommen, die auch imstande sind, selbständig schwierige Fahrten auszuführen.
Doch kommen solche Ausnahmen äußerst selten vor. Es liegt eben nicht im Wesen einer Frau, an der Spitze eines Kampfes zu stehen. Aus diesem Grunde wurde oft die Behauptung aufgestellt:
‚Frauen gehören nicht in die Berge.‘
Diese Ansicht ist falsch. Es ist gar nicht die Aufgabe der Frau, zu führen. Das ist Sache des Mannes. Dagegen sind Frauen oft ausgezeichnete, aufopferungsvolle Gefährten.
Das Bergsteigen hat gerade für Frauen einen sehr großen erzieherischen Wert. Die weibliche Psyche ist für Eindrücke oft viel empfänglicher als die des Mannes. Die Großartigkeit der Hochgebirgswelt hat, als Gegensatz zu ihrem oft recht oberflächlichen, eintönigen Alltagsleben, auf Frauen meist einen ausgezeichneten Einfluß. Und auf Bergfahrten hat so manches Mädchen das gelernt, was ihm bis dahin unbekannt geblieben war: Selbstzucht, Gehorsam und Kameradschaft. Für Flirt und Hofmachen ist in den Bergen kein Platz.“
Heute? Eher von gestern, ja von vorgestern ist das, was der Wiener Alpinist und Schriftsteller Kurt Maix (1907-1968) von den Frauen am Berg im 1935 veröffentlichten Buch „Der Mensch am Berg. Von der Freude, dem Kampf und der Kameradschaft der Bergsteiger“ schrieb. Im gleichen Jahr gelang Loulou Boulaz und Raymond Lambert die zweite Durchsteigung der Nordwand der Grandes Jorasses, zwei Tage nach der ersten Durchsteigung dieses sogenannt letzten Problems der Alpen. 1933 hatten Micheline Morin, Nea Morin und Alice Damesme als erste Frauenseilschaft die schwierige Meije im Dauphiné traversiert. Und Damesme hatte mit Miriam O’Brien 1929 die erste „männerlose“ Überschreitung des Grépon in den Aiguilles de Chamonix gemacht. Was den französischen Alpinisten und Schriftsteller Etienne Bruhl zu folgender Aussage bewog: „Den Grépon gibt es nicht mehr, freilich sind noch einige Felsen dort, aber als Klettertour existiert er nicht mehr. Nun da er von zwei Frauen allein begangen wurde, kann kein Mann mit Selbstachtung ihn noch besteigen. Schade, denn es war eine schöne Bergtour.“ Kurt Maix hätte voll Mitgefühl zugestimmt.
Wie gesagt: Das war gestern. Heute gibt es das Buch „Frauen im Aufstieg. Auf Spurensuche in der Alpingeschichte“ von Ingrid Runggaldier aus Bozen, Publizistin, Filmerin, Übersetzerin und Kulturreferentin des Alpenvereins Südtirol. Sie hat sich nicht bloss an die Fersen von Bergsteigerinnen geheftet, welche mit oder ohne männliche Begleitung auf die Gipfel stiegen, sondern sich ebenfalls auf die Fährten von Wissenschaftlerinnen, Wirtinnen und Trägerinnen begeben, welche in den Bergen ihr Leben, ihre Leidenschaft oder vielleicht auch nur ihren kargen Lohn fanden. Bevor das angeblich schwache Geschlecht starke Bergtouren wie den Grépon oder die Dachstein-Südwand unternehmen konnte, musste zuerst der Schritt aus dem textilen und gesellschaftlichen Korsett gewagt werden. Wie das die Frauen und Mädchen schafften, davon erzählt die Autorin mit vielen Beispielen. Und lässt die Protagonistinnen zu Wort kommen – sofern diese überhaupt schrieben oder schreiben durften. Manchmal auch nur unter dem Namen des Ehemanns oder des Neffen, wie Margaret Anne Jackson und Meta Brevoort. Spannend auch die Geschichte zu den Frauenalpenclubs und alpinen Schriftstellerinnen. Sehenswert all die klug ausgewählten Illustrationen. Zudem eine Fundgrube, gut erschlossen durch Bibliografie, Anmerkungen und Personenregister.
„Frauen im Aufstieg“ deckt die weibliche Alpingeschichte von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg ab, mit dem Schwergewicht in den Dolomiten, wo die Frauen in Sachen Können, Geschicklichkeit und Mut beim Klettern den Männern schon bald ebenbürtig waren. Was Kurt Maix, der sich in den Ostalpen ja gut auskannte, eigentlich hätte wissen müssen, als er über Frauen am Berg schrieb.
Ingrid Runggaldier: Frauen im Aufstieg. Auf Spurensuche in der Alpingeschichte. Edition Raetia, Bozen 2011. Fr. 86.-