Früh los

Bergsteigerinnen zwischen 70 und 100 erzählen im Gespräch mit Patricia Purtschert aus einer Zeit, als das Bergsteigen noch Männersache war – wie die Männer meinten.

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„Stolz war ich auch auf die Überschreitung des Weisshorns, das ist ein ganz grosser Mocken. Als Berg gefällt mir das Weisshorn noch besser als das Matterhorn. Geht man den Nordgrat hinunter, erreicht man das Bishorn und hat somit gleich einen zweiten Viertausender bestiegen. Ich erinnere mich daran, dass wir an jenem Tag die Einzigen waren, welche sich an diese Überschreitung wagten. Die Bergsteiger, die auf dem Gipfel standen, haben ganz schön gestaunt, dass diese vier Meitli – wir waren zwei Zweierseilschaften – den Nordgrat in Angriff nahmen.“

Die bergsteigenden Männer haben auch anderswo gestaunt über die vorausgehenden Frauen. Albin Schelbert zum Beispiel wollte anfänglich gar nicht glauben, als ihm eine Bekannte sagte, dass sie und ihre Freundin selbstständig schwere Bergtouren unternähmen und dass sie einen Hammer zum Schlagen und Herausschlagen der Felshaken hätten. Nun, Albin wollte die unbekannte Frau mit dem Hammer kennenlernen. Nochmals das „Weisshorn-Meitli“ Heidi, heute 74 Jahre alt: „Später kletterten Albin und ich durch die Nordwand der Kleinen Zinne, und auf dem Gipfel hat es dann gefunkt: Wir fanden, dass wir eigentlich gut zueinander passen. Danach stiegen wir noch über die gelbe Kante auf die Kleine Zinne, das war meine erste Kletterei im sechsten Grad.“

Heidi Schelbert-Syfrig ist eine von 13 Frauen zwischen 70 und 100 Jahren, mit denen die Basler Philosophin und Kulturwissenschaftlerin Patricia Purtschert intensive Gespräche übers Bergsteigen, über ihre Rolle in Eis und Fels und Hütte (und manchmal auch zuhause am Herd…) geführt hat. Diese jung gebliebenen Bergsteigerinnen, von der Genusskletterin über die Skihochtourenfahrerin bis zur Extremalpinistin, waren ja in einer Zeit unterwegs, als das Bergsteigen noch weitgehend Männersache war, als der Schweizer Alpen-Club keine weiblichen Mitglieder aufnahm, als noch Röcke auf Tour angesagt waren. Davon erzählen die rüstigen Frauen, und wir erfahren viel über das Bergsteigen, über die Gründe dafür, über die Berge überhaupt, und über unser Land.

Folgende Frauen erzählen aus ihrem (Berg)leben: Marianne Winkler, Heidi Schelbert, Charlotte Godel, Pauline Lumpert, Ruth Steinmann-Hess, Ruth Bättig, Irma Egler, Yvette Vaucher, Erika Bumann, Martha Liebich, Elsbeth Köng und Silvia Metzeltin. Eine der erzählenden Frauen wollte anonym bleiben, aber man findet ihren richtigen Namen leicht heraus, wenn man ihren Erstbegehungen nachgeht und das Nachwort zur Geschichte des Frauenbergsteigens von Patricia Purtschert aufmerksam liest. Illustriert ist das Buch mit aktuellen Porträtfotos von Véronique Hoegger sowie mit Bildern aus den Fotoalben der Alpinistinnen (in vier Bildlegenden haben sich Fehler eingeschlichen, aber das kann passieren).

Patricia Purtschert: Früh los. Im Gespräch mit Bergsteigerinnen über siebzig. Porträtfotos von Véronique Hoegger. hier + jetzt Verlag, Baden 2010, Fr. 38.-

Die Buchvernissage findet am Dienstag, 5. Oktober 2010, um 18 Uhr im Schweizerischen Alpinen Museum am Helvetiaplatz in Bern statt; Eintritt frei. www.alpinesmuseum.ch

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