Gesäuse-Pioniere

Eine Buch über ein österreichisches Gebirge, wo überraschend viele berühmte Bersteiger Spuren hinterlassen haben. Alpingeschichte am Beispiel der Gesäuseberge.

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„Hinter den Vorgebirgen, dem Hauptthale selbst gerade gegenüber im Osten, erhebt der Buchstein majestätisch hehr sein altersgraues Haupt. Ein heiliger Horeb! Mit erstem Tagesgrauen von Auroras Strahlen berührt, tief gegen Mitternacht hin wie ein Kolb aus Vulkans Esse noch glühend; ein Anblick des Entzückens, wenn in die schwindende Röthe Luna ihren hehren Schein schmilzt, thronend auf den höchsten Felsenzinnen und zaudernd im Staunen, das eigene Lichtgebild in den Schlangenkrümmungen des unten wogenden Thalstromes hundertmahl wiedergestrahlt zu sehen.“

So poetisch schilderte 1816 Pater Albert Muchar Sonnenuntergang und Mondaufgang am Grossen Buchstein (2224 m), dem Hausberg von Admont im Bundesland Steiermark mitten in Österreich. Aber der Pater, Gelehrter am Stift Admont, heute berühmt für die grösste Klosterbibliothek der Welt, begnügte sich nicht mit literarischen Beschreibungen der Berge. Er bestieg sie auch. So am 9. August 1814 den Grossen Buchstein, um erstmals seine Höhe zu vermessen.

Der Grosse Buchstein – was für ein schöner Name übrigens: Buch-Stein, genauso wie Ad-Mont – liegt in den Ennstaler Alpen. Ihr nordöstlicher Teil mit vielen schroffen, bleichen Kalkgipfeln ist als Gesäuse bekannt, dessen grösster Teil 2002 zum Nationalpark Gesäuse erklärt wurde. Nun haben verschiedene Autoren zu diesem Gebirge eine 384seitige, reich bebilderte Monografie geschaffen, die von der Entdeckung der Ennstaler Alpen bis zum Bergsteigerfriedhof Johnsbach reicht. Den Hauptteil des Buches machen die Biografien über die Entdecker, Erschliesser und Eroberer aus. 65 Porträts unter anderen von

Peter Rosegger, Heimatdichter (gehörte zur Schulbuchlektüre in Österreich);

Egid Filek von Wittinghausen, Schöpfer der Gesäuse-Symphonie (noch nie gehört, nicht wahr?);

Adolf Noßberger, Bergrettungsgründer und Schipionier (die Österreicher schreiben ja Schi, nicht Ski);

Juliane Götzenbrugger, jodelnde und dichtende Sennerin (hübsch ihre Foto, mit den zwei Sauen am Futtertrog);

Liselotte Buchenauer, streitbare Alpinschriftstellerin (auch hübsch, ihre Fotos);

Emil Zsigmondy, Pionier des führerlosen Bergsteigens (Bietschhorn, Monte-Rosa-Ostwand, Absturz in der Meije-Südwand);

Eduard Pichl, Neulandsucher und glühender Nazi, der zu Beginn der 1920er Jahre den Arier-Paragrafen im Deutschen und Österreichischen Alpenverein durchboxte (auch solche eklige Figuren gibt’s leider unter den Bergsteigern);

Karl Prusik, der einen lebensrettenden Knoten erfand, und damit auch eine Aufstiegstechnik am Seil, das Prusiken;

Alfred Horeschowsky, der sich bereits 1923 an der Matterhorn-Nordwand versuchte;

Sepp Brunhuber, Pionier des extremen Winteralpinismus;

Kurt Maix, Ghostwriter zum Beispiel für Heinrich Harrer („Die weiße Spinne“) und Hermann Buhl („8000 – drunter und drüber“);

Fritz Kasparek, Sieger in der Eigernordwand, Verlierer am 6271 m hohen Salcantay in den peruanischen Anden (erschütternd die beiden Fotos, einmal noch mit Fritz, dem Schweizer Toni Matzenauer und der Wechte, ein paar Sekunden später ohne);

Leo Forstenlechner, der mit Erich Waschak im Juli 1950 erstmals die Eigernordwand in einem Tag durchstieg;

Walter Almberger, Wintererstdurchsteiger der Eigernordwand (immer wieder diese Wand);

Christian Stangl, der schnellste Alpinist – die jeweils höchsten Gipfel der sieben Kontinente in insgesamt knapp 60 Stunden reiner Aufstiegszeit;

Ingrid Polner, Primadonna der heimischen Kletterszene, Professorin für Deutsch und Sport am Stiftsgymnasium Admont, Lyrikerin. Pater Albert Muchar hätte sie vor lauter Begeisterung ganz keusch umarmt.

Josef Hasitschka, Ernst Kren, Adolf Mokrejs: Gesäuse-Pioniere. Alpingeschichte aus der Universität des Bergsteigens. Schall-Verlag, Alland 2008, Euro 29.80

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