Geschichte der Landschaft in der Schweiz

Braucht Landschaft schön zu sein? Ist die Schweiz ein schönes Land? Was nehmen wir überhaupt wahr von dieser Landschaft, die sich ständig verändert, ständig neu gesehen wird, von den Jägern und Sammlern bis zu den Tunnel- und Strassenbauern.

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„Wer nur nach ästhetischen Kriterien über Landschaft schreibt, verkennt die Realität. Es droht eine Art Ghettobildung: Auf der einen Seite die vernachlässigten Zonen unter 1000 Meter über Meer, dort darf man alles verbetonieren. Oberhalb dieser magischen Grenze muss man alles unter eine Käseglocke tun. Das ist nicht sinnvoll.“

Sagt einer, der es wissen muss: Alpenforscher Jon Mathieu, Gründungsdirektor des Istituto di Storia delle Alpi an der Università della Svizzera italiana, Umweltgeschichtsdozent an der ETH Zürich und heute Professor an der Uni Luzern. Er wohnt an den Alpenstrasse in Burgdorf, mit Blick auf die Berge – und aufs Mittelland. Nochmals ein Ausschnitt aus dem Interview, das im Schweiz-Teil der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ am 17. März 2016 aus Anlass der Publikation seines jüngsten Werkes erschien: „Als ich das Register verfasste, war ‚Mittelland‘ der meistgenannte Begriff. Es ergibt keinen Sinn, wenn wir uns tausendmal über Johann Wolfgang von Goethe am Gotthard unterhalten. Wir wollen den Menschen nicht ihre Sehnsuchtslandschaften austreiben, aber ein bisschen ihren stereotypen Blick brechen.“

Genau das tut das Buch „Geschichte der Landschaft in der Schweiz. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart“ (Mathieu ist einer der vier Herausgeber). Mehr noch: Das 380-seitige, sorgfältig editierte, illustrierte und mit hochspannenden Literaturhinweisen garnierte Werk bricht nicht nur den eingeschränkten Blick auf eine wie auch immer schöne Landschaft, sondern erweitert ihn grandios um ästhetische, geschichtliche, gesellschaftliche, politische, kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Winkel. Das Team von 21 renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermittelt in diesem Sammelband einen ebenso sachkundigen wie detailreichen Überblick über Geschichte und Entwicklung der vielfältigen Landschaften der Schweiz, von den ersten Jägern und Sammlern im Gebiet der heutigen Schweiz bis zum Gotthard-Basistunnel.

Der Zustand der Schweizer Landschaft verändert sich stetig – früher durch die Macht der Natur, heute hinterlässt der Mensch selbst immer mehr seine Spuren. Doch wie genau hat sich die Landschaft in der Schweiz in den letzten 15’000 Jahren gewandelt? Diese erste historische Darstellung der Landschaft in der Schweiz behandelt Zeit und Raum in vier Teilen: Die Epoche der Waldlandschaft, Landesausbau in Mittelalter und Neuzeit, Urbanisierung – die Moderne kommt, Landschaft zwischen Agglomeration und Wildnis. Mit diesen Titeln wird gleich deutlich, dass da viel abgehandelt und erklärt wird: Wie das Land entstanden ist, wie es von den Bewohnern immer stärker umgewandelt wird, wie die Menschen die Landschaft überhaupt wahrnehmen, abbilden und verherrlichen, wie sie geschützt werden muss – und vielleicht auch nicht? Die Antworten dazu stehen im Buch. In der Einleitung fragt uns Jon Mathieu:

„Braucht Landschaft immer schön zu sein?“

Jon Mathieu, Norman Backhaus, Katja Hürlimann, Matthias Bürgi: Geschichte der Landschaft in der Schweiz. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart. Orell Füssli Verlag, Zürich 2016, Fr. 49.90.

Am Donnerstag, 28. April 2016, um 19 Uhr in der Buchhandlung Haupt am Falkenplatz 14 in Bern: Einführung und Gespräch zum Buch „Geschichte der Landschaft in der Schweiz“, mit den Herausgebern Jon Mathieu und Matthias Bürgi; Moderation Dominik Siegrist.

Das Interview mit Jon Mathieu in der „Zeit“ vom 17. März 2016 ist hier zu lesen: www.zeit.de/2016/13/landschaft-geschichte-schweiz-jon-mathieu.

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