Über die Entstehung, den Untergang und die Wiederentdeckung historischer Hotels, etwa des legendären «Giessbach» oder der Entwicklung des «Kuhdorfs» St. Moritz zum Zweitwohnungsparadies. Ferienlektüre in acht Dossiers.
Der Gießbach. *)
In mächtigem Schwung,
Mit verwegenem Sprung,
Bergunterstürzend
Und über die Felsen den Weg sich kürzend;
Durch Tannenschatten
Durch’s Grün der Matten
Schneeweissen Schaum verspritzend,
Im Sonnenlicht blitzend,
Eilt jach
Der gewaltige Bach
Mit Todesmuth
Hinab in des blauen See’s Fluth.
Du hehres, lebendiges Bild der Helden,
Von denen die Sagen melden:
Wie sie in brausender Schlacht
Sich Bahn gemacht
Inmitten der Feindesschaaren
Und Todesgefahren,
Wie sie mit freudigem Muth
Verspritzen ihr Blut,
Das Vaterland zu entketten
Die Freiheit zu retten!
Ad. Stöber
*) Ein berühmter Wassersturz am Brienzersee, gegenüber dem Dorfe Brienz, im bern. Amt Interlacken. Der Gießbach entspringt auf der Alpe Tschingelfeld, am nördlichen Abhange des Faulhorns, zum Theil auch aus den Hagel- und Hexenseelein am Grindelwaldgrate, durchrauscht die Alp „Im Boden“ und fällt endlich in vierzehn prachtvollen Stürzen auf die Trift von Engi und von dort in den See. Die vierzehn Fälle des Gießbachs tragen die Namen verschiedener Bernerhelden, z. B.: Berchtold von Zähringen, Ulrich und Rudolph von Erlach, Hans von Hallwyl, N. Fr. Steiger u. s. w. Der berühmteste, untere oder letzte Sturz (N. Fr. Steiger) kann am besten gesehen und bewundert werden aus dem nahen, auf einem Hügel über dem Landungsplatz stehenden „Hotel du Gießbach“, wo die Gäste durch die Besitzer (Familie Kehrli von Brienz) gut bedient und mit schweizerischen Nationalgesängen unterhalten werden. Im Jahr 1854 soll Hr. Rappart aus Preußen den Gießbach um Fr. 70‘000 angekauft haben, um in dessen Umgebungen ein Hotel nebst Anlagen zu errichten.
Soweit eine etwas lange Abschrift aus meinem Lieblingsgedichtband mit dem etwas langen Titel „Helvetiens Naturschönheiten, oder das Schweizerland, mit seinen berühmtesten Bergen, Thälern, See’n, Flüssen, Wasserfällen und Heilquellen, nebst Anhang über Städte, Schlösser, Denkmale etc.“, anno 1856 in Aarau herausgegeben von Johann Kirchhofer. Wer nun aber wissen möchte, wie sich das Hotel du Giessbach entwickelt hat, sollte die diesjährige, eben erschienene Nr. 2 der Zeitschrift „Kunst und Architektur in der Schweiz“ als Sommerlektüre wählen; Thema ist „Ferien für alle“.
In acht Dossier werden verschiedene Ferienanlagen, -bauten und -formen in der Schweiz untersucht, beschrieben und gezeigt, so „Entstehung, Untergang und Wiederentdeckung historischer Hotelbauten am Beispiel des Hotels Giessbach am Brienzersee“. Ebenso interessant sind der Aufstieg und teilweise Verfall des Hotels Fürigen am Vierwaldstättersee, und St. Moritz als „Kuhdorf. Hotelstadt. Zweitwohnungshochburg“ ist immer eine Lektüre und eine Reise wert. Da die Sonne wahrscheinlich aber mehr südlich des Gotthards scheinen wird, könnten die Artikel über „Die Entdeckung der Tessiner Maiensässe als Ferienlandschaft im frühen 20. Jahrhundert“ und „Zu den Anfängen eines sozialen Tourismus in der Schweiz“ (mit der Vorstellung von drei Feriensiedlungen im Tessin) zu einem Sprung über den Alpenhauptkamm verhelfen.
k+a. Kunst und Architektur in der Schweiz, Heft 2/2011. Herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Fr. 25.-, gsk@gsk.ch.