Eine neue Biografie zum Dichter, Sänger und Skilehrer Hans Roelli, der als erster Kurdirektor von Arosa Spuren hinterliess. Und eine Tagung zur Alpenliteratur insbesondere von Graubünden.
Tief wogt der Sommer an dem Korn.
Die Gärten sind mit dunklen Rosen
beschenkt. Schon reifen Aprikosen.
Im fernen rollt Gewitterzorn.
Zweite Strophe im Gedicht «Die Jahreszeiten» von Hans Roelli (1889–1962), abgedruckt mit neun andern Gedichten als «Verse» im 20. Jahrgang von «Ski», dem Jahrbuch des Schweizerischen Ski-Verbandes vor nun genau 100 Jahren. Mehrheitlich sind es natürlich Winter- und Schneeverse – aber wir wollen die kalte Jahreszeit nicht zurück, oh nein, jetzt wo sich ein kräftiges Hochdruckgebiet aufgebaut hat.
Sommer- und Wintertourismus weiter ausbauen: Diese Aufgabe oblag Hans Roelli seit dem 21. Oktober 1920 als frischgewählter Kurdirektor von Arosa. Andere Bündner Kurorte hatten ebenfalls um den schweizweit bekannten Dichter und Lautensänger, Skilehrer und Conférencier gebuhlt. Zehn Jahre hält der immer braungebrannte Roelli das Amt inne, im Demissionsschreiben vom 18. Januar 1930 hält er fest: «Ich darf den Anspruch erheben – nicht zuletzt dank meiner Kunst, die Arosa genützt und nicht geschadet hat – ein persönlicher und geachteter Kurdirektor gewesen zu sein.» Ein paar Verse mehr zum dichtenden Oberskilehrer hier: https://bergliteratur.ch/alles-fahrt-schi/. Und am 12. Mai 2025 wurde im Kulturhaus Helferei in Zürich die neue Biografie von Bernhard Ruetz vorgestellt: «Auf eigener Spur. Hans Roelli. Dichter, Sänger, Liedermacher».
Auf 128 Seiten stellt Ruetz den umtriebigen, ruhelosen, scheinbar dauerfröhlichen Roelli vor, schildert seinen Werdegang aus dem braven Willisau ins quirlige Arosa und darüber hinaus. Nicht alle konnten ihm folgen, die beiden ersten Ehefrauen jedenfalls nicht. Und manchmal schien Hans selber aus der eigenen Spur zu fallen. Aber er schaffte immer wieder den Rank – und ganz bestimmt noch einen stimmigen Vers, ein neues Lied, ein weiteren Gedichtband. Illustriert ist das Buch mit stimmigen Fotos, auf denen neben Skis oft ein Musikgerät zu sehen ist: die Gitarre. Selbstverständlich sind auch Gedichte eingestreut. Zum Beispiel «Das Neue Wiegenlied» aus dem «ungewöhnlich düsteren» (so Ruetz) Gedichtband «Gegenwartslieder und Zeitgedichte» von 1937:
Schlafe Kind, schlafe ein:
draussen ist es wieder Krieg;
Vater ist in Flamm und Not,
Vater ist vielleicht schon tot –
schlafe Kind, schlafe ein.
Schlafe Kind, schlafe ein:
draussen ist es wieder Nacht;
Mutter irrt nach Milch und Brot,
Mutter ist vielleicht schon tot –
schlafe Kind, schlafe ein.
Schlafe Kind, schlafe ein:
wir zertrümmern Sonn und Stern
und die Liebe ging verloren,
warum wurdest du geboren? –
schlafe Kind, schlafe ein.
Schlafe Kind, schlafe ein:
vielleicht bist du das neue Licht,
das in unser Dunkel fällt
und aufgeht in der ganzen Welt –
schlafe Kind, schlafe ein.
Ein Wiegenlied von beängstigender Aktualität, das der alpine Verseschmied da gehämmert hat. Ums Schreiben im Alpenraum geht es am 12. und 13. Juni 2025 in Bern: «Alpen im Wandel – Literaturen zwischen 1945-1990». Diese öffentliche, literaturwissenschaftliche Tagung zur deutschen, italienischen und rätoromanischen Literatur Graubündens findet im Schweizerischen Literaturarchiv der Schweizerischen Nationalbibliothek statt. Und so liest sich der Auftritt: «Der kulturelle Wandel nach 1945 war im mehrsprachigen alpinen Raum Graubündens wie auch in den angrenzenden Regionen enorm: Eine in weiten Teilen bäuerlich geprägte Gesellschaft erfuhr grundlegende gesellschaftliche, technische, ökonomische und kulturelle Umwälzungen. Zugleich überformte die fortschreitende Touristifizierung dörfliche Strukturen sowie ganze Talschaften und damit das Bild, das sich Ortsansässige, Zugezogene und Reisende davon machten.» Mehr noch: Am Donnerstag, 12.Juni, gibt es von 19.30 bis 21.00 im Saal Friedrich Dürrenmatt eine Soirée littéraire mit den AutorInnen Flurina Badel, Romana Ganzoni und Andrea Paganini zum Thema «Scriver en Grischun – Letterature in dialogo» statt. Nicht verpassen!
Bernhard Ruetz: Auf eigener Spur. Hans Roelli. Dichter, Sänger, Liedermacher. Verlag Ars Biographica, Andelfingen 2025. Fr. 30.- www.arsbiographica.ch/buecher/auf-eigener-spur/
«Alpen im Wandel – Literaturen zwischen 1945-1990». Tagung am 12. und 13. Juni 2025 in der Schweizerischen Nationalbibliothek an der Hallwylstrasse 15 in Bern. www.nb.admin.ch/snl/de/home/ausstellungen-va/veranstaltungen-past/va2025/alpenimwandel.html Die Teilnahme an der Tagung inklusive Verpflegung ist kostenlos. Um Anmeldung wird gebeten: claudia.cathomas@nb.admin.ch.