Hotels im Schnee

Hotelromane sind ein eigenes Genre der Literatur, klar, hier ist die Welt zu Gast, oder zumindest die Halbwelt. Zwei am Schnee orientierte Exempare der Gattung stellt unser Kritiker vor. Dolder, St. Moritz? Da assoziiert man doch gleich den passionierten Skifahrer Sha Reza Palevi – nicht identisch mit dem Toten vom Grand Hotel. Lange hat ers dann doch nicht überlebt. Hotel Faschina? Auch da stellen sich Assziationen ein – ach, lassen wir das.

„Am Kalbersbergli gab es einen Skilift. Die Gäste lieβen sich hochschleppen bis zum Gipfel und übten am Steilhang die Kristianiatechnik. Dabei fuhr man nicht mehr aufrecht wie früher, mit durchgestrecktem Rücken, im Telemark-Stil, sondern in Vorlage und mit viel mehr Schuss den Berg hinunter, dass einem der Wind nur so um die Ohren pfiff. Der moderne Ski hatte metallene Kanten, so dass einem leicht ein Schwung gelang, und der Schnee nur so stob im Sonnenlicht.“

Am Kalbersbergli fährt man auch an diesem Wochenende Ski, mit metallenen Kanten, viel Schuss und hoffentlich Sonne. Die weltbesten Stangenkünstler zeigen ihr Können wie alle Jahre wieder an den Weltcup-Rennen in Adelboden. Am Kalbersbergli? Nein, natürlich nicht. Am Chuenisbärgli wird der Österreicher Marcel Hirscher versuchen, mit dem Rekordsieger Ingemar Stenmark, der am Adelbodner Skiberg den Riesenslalom zwischen 1979 und 1984 fünfmal gewann, gleichzuziehen.

In Triest, das bis 1918 noch zu Österreich gehörte, beginnt ein Hotelroman, der aus dem Chuenisbärgli Kalbersbergli und aus Adelboden Adelberg macht: „Splendid Palace. Das Leben des Virginio Ostruh“ von Nicolas Ryhiner. Dieser Virginio ist ein uneheliches Kind von Marija Jozefa Ostruh, kommt heimlich im Hotel „Splendid Palace“ zur Welt, in dem seine Mutter als Wäscherin arbeitet, wächst dort auf und erlebt das Auf und Ab, das Hin und Her eines Grandhotels in den Bergen. Pate
stand in diesem Fall das nicht mehr bestehende „Nevada Palace“. Glück und Unglücke, heisse Liebe und kalte Lawine, Weltkriege eins, zwei und fast drei, das Gleiten des Hotelliftes und der Ski im Schnee: Im Hotel ist die ganze Welt zu Gast. Und Virginio schleppt unverdrossen die Koffer hinein und wieder hinaus.

„Stahl liebte Schnee. Er war begeisterter Skifahrer. Aber er war lange nicht auf der Piste gewesen. Dieses Jahr würde er auf die Bretter steigen. Vielleicht sollte er im Dolder kündigen und sich eine Stelle in St. Moritz suchen?“

Eine gute Idee. Denn der Job beim Wachtdienst im The Dolder Grand scheint Roger Stahl entgegen des Namens weich zu machen. So weich wie Schnee. Und so kalt. Wie ein paar Figuren im Thriller „Die Tote im Dolder“ von Michael Moritz. Eine schneereiche, zuweilen etwas verkantete, aber immer rasante Geschichte, so wie Skifahren ja auch ein temporeicher Sport ist. Dazu allerdings kommt Stahl nicht. Wohl aber zum Klettern – über Mauern im verschneiten Villenviertel am Zürichberg.

„Die Ostseite mit Morgensonne beherbergte in den oberen beiden Geschossen die Gästezimmer. Mit der 55 Grad Abwinkelung des Gebäudes Richtung Südwesten gelang es ihm für die öffentlichen Räume, den Empfangsbereich, den Speisesaal mit vorgebauter Terrasse die Nachmittagssonne in die Räume zu holen. Im Sockelgeschoss, halb Bruchstein halb verputzt, waren Küche, Backstube, Wäscheraum, Ski-Raum und die Heizung untergebracht.“

So beschreibt der Architektur-Historiker Marcel Just im jüngsten Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumvereins das 1932 von Kurz Menz erbaute Sport- und Kurhotel „Faschina“ im Grossen Walsertal im Vorarlbergischen. Auch wenn es nur ein Badezimmer pro Stock gab: Dort hätte ich gerne Skiferien gemacht, zumal das auf dem Faschinajoch erbaute Hotel nur mit einer Seilbahn erreichbar war. Mit einer Strasse hat die Moderne die Passhöhe längst erreicht, und so radikal modern wie damals ist das neue Hotel nimmer. Trotzdem: Dort auf der Terrasse in der Morgensonne liegen und den „Zauberberg“ von Thomas Mann lesen, das wär’s doch? Nach Davos können wir in der zweiten Januarhälfte ohnehin nicht.

Nicolas Ryhiner: Splendid Palace. Das Leben des Virginio Ostruh. Verlag Johannes Petri, Basel 2013, Fr. 29.80, www.verlag-johannes-petri.ch. Der Autor liest am 7. März im Parkhotel Bellevue in Adelboden und am 12. März 2014 im Hotel Waldhaus in Sils-Maria aus seinem Roman.

Michael Moritz: Die Tote im Dolder, Emons Verlag, Köln 2013, Fr. 14.90.

Marcel Just: Zwei Hotelbauten der Moderne an der Faschina-Straße: Berghotel Madlener in Damüls und Sporthotel Faschina in Fontanella. In: Jahrbuch 2013 Vorarlberger Landesmuseumverein, Euro 22.-, www.vlmv.at, www.hotel-faschina.at

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