Felssperrung im Wilden Süden. Von Hund, Eulchen und einem verlorenen Kletterparadies.
Hochsommer ist nicht die ideale Klettersaison im Locarnese, in der Hitze rutschen die Finger selbst von den rauen Granitgriffen. Doch wir erinnern uns einer schönen steilen schattigen Wand, Il Gufetto in den Wäldern bei Arcegno; also nichts wie los. Baden können wir später immer noch. Schon der Zustieg irritiert uns, ein historischer Plattenweg, mit Wegweiser markiert. Doch an einem Übergang über glatte Felsplatten fehlt das Sicherungsseil. Und an der Wand sind die untersten Bohrhaken herausgerissen, dafür ist sie mit riesigen Spraybuchstaben verschandelt: PRIVATO CHIUSA. Die spektakulären Routen, die alten Projekte bleiben also Erinnerung.
Was ist da geschehen? Naturschutz wohl kaum, Naturschützer würden wohl mehr Respekt vor dem Fels zeigen. Vielleicht hilft der Name der Kletterwand weiter: Il Gufetto ist die Verkleinerungsform der Eule, das Eulchen also. Ob da vielleicht diese seltenen Vögel nisten? Haben militante Ornithologen zugeschlagen wie etwa im Donautal? Il Gufo, die Eule, bezeichne im Italienischen aber auch eine «Persona non socievole», weiss das Vocabolario Zingarelli. Das könnte wohl auf den Besitzer dieses Fels- und Waldstücks zutreffen, der auf einer Alpweide nebenan seine Rustico-Idylle pflegt, ausgestattet mit Parabolspiegeln, Zäunen, Abschrankungen und Privato-Schildern. Wir verzichten darauf, über sein Grundstück abzusteigen und damit die gefährliche Felsplatte ohne Sicherung zu vermeiden, da uns ein weisser Hund etwa in der Grösse eines jungen Eisbären entgegenläuft und Zähne fletscht.
Dieser Hund, so erfahren wir später dank Google, Siria sein Name, spielt in der traurigen Geschichte um das Gufetto eine Rolle. Das Eulchen (also der Rusticobesitzer) soll befürchtet haben, Kletterer könnten ihm ein Leid antun, da er die Gewohnheit hatte, die Scalatori anzubellen. Den Ausschlag gab aber, gemäss Postings auf www.fuorivia.com, der Müll auf dem Grundstück, von Kletterern hinterlassen, die offenbar in Massen die spektakuläre Wand aufsuchten und mindestens einmal auch auf der Wiese menschliche Exkremente samt Papier hinterliessen. Wie immer in einem solchen Fall widersprechen sich die Meinungen, auch bezüglich des Hundes. Jedenfalls suchten Kletterer von Scoiattoli Denti della Vecchia das Gespräch, publizierten vor einem Jahr einen Sechs-Punkte-Kodex, doch «la situazione è molto critica». In Postings war auch die Rede davon, eine Wiedereröffnung geheim zu halten, um dem Massenendrang, unter anderem von Kletterern aus dem Norden, vorzubeugen.
Nun ist also dem Eulchen der Kragen geplatzt, der Mann hat zur Selbsthilfe und zur Spraydose Farbe Grün gegriffen. Ob es legal ist, den Zugang zu einem unbewirtschafteten Grundstück zu sperren, einen historischen Wanderweg durch Entfernen der Sicherung unbegehbar zu machen, eine Felswand zu versprayen … Überlassen wir die Frage der Legalität unseren Kletterfreunden im Land der Lega. Wir machen also einen grossen Umweg zu den besonnten Wänden weiter unten, wo Klettern trotz Privatbesitz erlaubt ist, und erinnern uns dabei an einen privaten Felsen in der City of Rocks in Idaho, wo im Führer steht, gelegentlich sei dort auch schon vom Besitzer auf die Kletterer geschossen worden. So weit sind wir im wilden Süden vorderhand noch nicht.