Gewöhnliche Bergsteiger kehren nach einer Tour mit leichterem Rucksack nach Hause – nicht so unser Rezensent. Aus Irland hat er schweres Gepäck nach Hause getragen, wie dieser Beitrag zeigt. Also auf, ins Regenreich, es gibt auch dort Berge und Bergsteiger und Bergbücher. Derweil sonnt sich Daniel an der Adria. Fortsetzung folgt.
„Michel Ducroz did not follow, choosing to wait on the lower summit till their return. Michel Balmat and Robert Fowler reached the summit of the Aiguille du Chardonnet at 2 o’clock. The views were magnificent, with the Verte and Argentière so close at hand. Not having time to erect a proper stone man, the placed a bottle inside a circle of stones which they laid out on a large flat stone at the highest point.”
20. September 1865, eine der letzten Erstbesteigungen im denkwürdigen Sommer und Herbst vor 150 Jahren, als 66 Gipfel der Alpen erstmals bestiegen wurden und einige neue Routen auf wichtige Berge eröffnet wurden. Wie beispielweise durch Fowler, Balmat und Ducroz. Am 17. September machten sie die dritte Besteigung der stolzen Aiguille Verte (4122 m), aber nicht etwa auf einer der beiden bereits bekannten Routen, sondern kletterten über den Pfeiler der Grande Rocheuse (4102 m) hoch und führten so noch die erste Besteigung dieses mächtigen Felszackens aus, der heute zu den 82 Viertausendern der Alpen gehört. Auf dem Gipfel der Verte zeigte Balmat seinem Gast, dass die Aiguille du Chardonnet (3824 m) gegenüber noch nie bestiegen wurde. Und so brachen die drei Alpinisten auf, um auch dort oben, auf diesem stolzen Gipfel auf der Grenze Schweiz-Frankreich, eine Flasche zu hinterlegen und ein paar Steine zu arrangieren – der Gipfelerfolg wollte ja irgendwie dokumentiert werden.
Ein Porträt von Robert Fowler (1824–1897) findet sich im ausgezeichneten Buch von Frank Nugent: „In search of peak, passes & glaciers. Irish alpine pioneers”. Es erschien vor zwei Jahren, fand jedoch hierzulande nicht die gebührende Beachtung. So sind in Schweizer Bibliotheken gerade mal zwei Exemplare vorhanden; in der Nationalbibliothek ist der Titel noch nicht ausleihbar. Dabei ist das fundiert verfasste und fein illustrierte Buch über irische Bergsteigerpioniere auch eines über die alpinistische Geschichte der Schweiz. Nicht nur mit Fowler, sondern auch mit Charles Barrington, Erstbesteiger des Eigers, mit John Tyndall, Erstbesteiger des Weisshorns, mit Valentine Ryan, Erstdurchsteiger der Täschhorn-Südwestwand. Oder mit Elizabeth Main, Erstbesteigerin der Pointe Burnaby am Bishorn, Pionierin der (Berg)fotografie, des Frauen- und Winteralpinismus. Mit Anthony Adams-Reilly, dem „mapmaker of the High Alps“, Erstbesteiger des Mont Dolent und der Aiguille d’Argentière, fünftes Ehrenmitglied des Schweizer Alpen-Club; nach ihm wurden nordwestlich des Chardonnet-Gipfels eine Aiguille, ein Col und ein Glacier benannt. Ich fand das Werk von Frank Nugent bei Scéal Eile Books am Market Place in der westirischen Stadt Ennis, zum Discountpreis von Euro 9.95.
Ein sehr gutes Pflaster für Bergbücher, diese hübsche Kleinstadt im County Clare, obwohl die Grafschaft Clare kaum für ihre Anhöhen bekannt ist; höchster Punkt ist der Moylussa-Hügel (532 m). Im Ennis Book Shop kaufte ich nämlich noch das Buch von Paddy O’Leary über die Geschichte des irischen Bergsports: „The way that we climbed“. Das Schwergewicht liegt auf der Zeit nach Fowler & Co, also vom späteren 19. Jahrhundert bis heute. Wandern und klettern im Lande selbst, bergsteigen in den Gebirgen der Welt: Das sind die Themen. Wobei vor allem das bergsportliche Geschehen auf der Insel selbst interessiert. Noch nie gehörte und gelesene Namen von Gipfeln, Felsen und ihren Erforschern, von Clubs und auch von Gefahren, die wir sonst nicht kennen. Joey Glover, einer der besten irischen Alpinisten seiner Zeit, wurde im November 1976 aufgrund eines Missverständnisses von der IRA erschossen.
Ein anderes Buch, das ich in Ennis erstand, ist der Führer zu den „Mountain summits“ von Irland. Zu den höchsten Bergen, zum Carraountohill (1038 m), den paar noch 1000 Meter hohen Gipfeln und den zahlreichen anderen Hügeln: die heiligen Croagh Patrick (764 m) und Ben Bulben (527 m), der Binn idir an dá Log (702 m), der Hungry Hill (685 m). Zwei verschiedene Listen gibt es, die Vandeleur-Lynam und die Arderin. Worin sie sich genau unterscheiden, studierte ich noch nicht. Aber es gibt auf jeden Fall einiges zu erwandern. Wer also die 48 Viertausender der Schweiz oder die 82 der Alpen schon erklettert hat und etwas bescheidenere Ziele zum Abhaken sucht, wird hier mehr als fündig. Mit dem Führer über die höchsten Punkte der 32 Grafschaften in Irland und Nordirland ebenfalls, wobei dreimal je zwei Counties einen High Point teilen – wie die beiden Appenzell den Säntis.
In den zehn Tagen, die wir im Juli 2015 auf Irland weilten, schaffte ich nur einen High Point, nämlich den Slieve Elva (344 m) im nordwestlichen Teil von Clare. The Burren heisst diese von ausgedehnten Karstfeldern dominierte Landschaft. Auf der Karte entdeckte ich keinen Weg zum flachen Gipfel, aber da bei den Bildern zum Burren immer Steinflächen, -mauern und -häuser gezeigt werden, dachte ich an ein lockeres Gehen über blossliegende Kalkoberfläche. Allerdings hätte ich die Karte ein bisschen besser studieren müssen. Beim Slieve Elva sind die Wörter „bog“ und „bog roads“ eingezeichnet, und „bog“ bedeutet „Sumpf, Morast, Torfmoor“.
Frank Nugent: In search of peak, passes & glaciers. Irish alpine pioneers. The Collins Press, Cork 2013. € 9.95 by Scéal Eile Books in Ennis, Ireland.
Paddy O’Leary: The way that we climbed. A history of Irish hill walking, climbing and mountaineering. The Collins Press, Cork 2015. € 19.99.
Mountain Views: A guide to Ireland’s mountain summits. The Vandeleur-Lynams & the Arderins. The Collins Press, Cork 2013. € 12.99.
Kieron Gribbon: Ireland’s County High Points. A walking guide. The Collins Press, Cork 2012. € 17.99.