Julius Payer

Hoffentlich hat sich der österreichische Bergpionier, Kartograf, Nordpolforscher und Kunstmaler Julius Payer zeitlebens politisch korrekt verhalten – eine ganze Reihe von Gipfeln, Pässen, Seen und Berghütten müssten sonst – gemäss aktuellen Tendenzen – wieder umbenannt werden. Eine neue Biografie gibt über diese Frage und auch über die Taten, Touren und nicht zuletzt auch Frauen des schönen Mannes umfassend Auskunft.

Cover Payer

„Allen Hindernissen trotzend treibt der Forschungs- und Wissenschaftsdrang den Menschen in immer neue unbekannte Gebiete unseres Erdballs; bald wird es keinen undurchsuchten Winkel der Meere und Länder mehr geben. Unbefriedigt, nur etwas und nicht alles zu wissen, durchschifft der kühne Seefahrer die Polar-Meere, durchzieht der Reisende die brennenden Wüsten Afrika’s wie die endlosen Urwälder Amerika’s, besteigt die höchsten Gebirge, um entweder durch die Krater in die Eingeweide der Erde zu blicken oder auf Gletscher-Wanderungen der Natur ihre Geheimnisse abzulauschen und aus dem Baue und der Beschaffenheit der kolossalen Erdgerüste die Art ihrer Entstehung und Bildung, überhaupt das ‚Werden‘ zu errathen. Und überall, wohin die Märtyrer der Wissenschaft die Pfade getreten, folgen die anderen nach, diesen und nicht jenen fällt der Nutzen in den Schooss.“

So überzeugt und überzeugend begann der Erstlingsaufsatz eines Mannes, der als Bergsteiger und Kartograf, Nordpolforscher und Verfasser geografischer Grundlagenwerke sowie zuletzt als Kunstmaler Grosses leisten und berühmt werden sollte. Titel des Textes: „Eine Besteigung des Gross-Glockner von Kals aus, im September 1863“; er erschien 1864 auf elf zweispaltig bedruckten Seiten inklusive einer Tafel mit fünf Ansichten und einem Übersichtskärtchen in den renommierten „Petermanns Geographische Mittheilungen“. Autor des Beitrages: Julius Payer, geboren am 2. September 1842 im nordböhmischen Kurort Teplitz-Schönau, gestorben als Dr. Julius Ritter von Payer am 29. August 1915 im slowenischen Kurort Bled. Erstbesteiger von 59 Gipfeln in den Ortler- und Adamello-Bergen, meistens begleitet vom Johann Pinggera. Zusammen mit Carl Weyprecht Leiter der Österreich-Ungarischen Nordpolexpedition von 1872 bis 1874, bei der die damals nördlichste Landmasse entdeckt wurde, die zu Ehren des österreichisch-ungarischen Kaiser Franz-Josef-Land getauft wurde.

Der Entdecker und Erstbesteiger muss sich vor dem Monarchen aber nicht verstecken. Auf der Inselgruppe in der Arktis befinden sich Payer-Gletscher und Julius-Payer-See, in der Antarktis heisst ein Teil des Wohltat-Massivs Payer-Gruppe. Und in den Ostalpen gibt es das Payerjoch (3434 m) zwischen Königsspitze und Monte Zebrù, die Payerspitze  (3396 m) und die Cima Payer (3050 m), den Passo Payer (2985 m) und die Vedretta Payer (wenn sie noch nicht abgeschmolzen ist). Im Val di Genova liegt das „Centro di Studi Glaciologi Julius Payer“, am Ortler die 1875 eingeweihte Payerhütte (3020 m), in Sulden am Fusse des Ortlers das Drei-Sterne-Hutel „Julius Payer“. Und am Stilfserjoch tragen ein Skilift und eine Piste den Namen Payer. Ein Mann von Welt(rang), wie gesagt.

Wer den Österreicher nun näher kennenlernen möchte, seine Taten und Touren, seine Stärken und Schwächen, seine Frauen sowie seine Gemälde, greift zur neuen Biografie von Frank Berger, die das abenteuerliche Leben von Julius Payer gekonnt und mit 91 klug ausgewählten Abbildungen schildert. Besonders spannend: Die Nordpolexpedition, die fast ins Wasser bzw. ins Eis gefallen wäre. Am 20. Mai 1874 verliessen die Polarfahrer ihr festsitzendes und nicht mehr flott zu kriegendes Schiff „Tegetthoff“ mit dem zu rettenden Material und Beibooten, am 20. Juni waren erst 16 Kilometer auf dem matschigen Eis zurückgelegt, am 15. August wurde das offene Meer erreicht, tags darauf kam die Küste der unbewohnten Insel Nowaja Semlja in Sicht. Den Geburtstag des Kaisers (18. August) feierte die Expedition an Land, dann musste weiter gen Süd gerudert werden. Am 24. August schliesslich wurden Julius Payer und seine Leute in der Dunenbay bei Kap Britwin von zwei kleinen russischen Schiffen gerettet.

Frank Berger: Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises. Bergpionier – Polarfahrer – Historienmaler. Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2015, Euro 24.95.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert