Was bestimmt die Schweiz ausser Banken und Uhren, Schoggi und Nescafé? Blöde Frage: Berge natürlich. Überall und seit jeher. Seitdem ein paar kräftige Bergbauern auf einer grünen Matte oberhalb des blauen Vierwaldstättersees Freiheit und Beistand geschworen haben sollen. Und womit kann man wissen, wie diese Matte heisst und die Höger drumherum? Wie hoch sie sind, wie stotzig und eisig? Und wie man hinauf kommt, zu Fuss, per Bahn oder vielleicht gar nicht? Mit einer Karte natürlich. Eine neue Publikation beleuchtet präzise wie ein Uhrwerk und verführerisch wie Schokolade die Schweizer Kartografie.
„Schweizer Wirtschaftsflüchtlinge zog es in Scharen nach Amerika. Allein im 18. Jahrhundert wanderten mehr als 25‘000 Eidgenossen mit Kind und Kegel in die damals noch englischen Kolonien aus. Als Ursache für die Auswanderung vermerkten die Chronisten grosse Armut sowie religiöse oder politische Intoleranz der hiesigen Behörden. Einige Abenteurer hatten aber auch patriotische, ja geradezu utopische Ziele. Sie planten ihre Kolonien als Vorposten einer besseren Welt oder als Verheissung einer neuen Zivilisation.“
Von einem solch angestrebten Paradies handelt die 1737 in Bern gedruckte Schrift „Neu-gefundenes Eden“, die zwei Karten enthält. Die zweite heisst „Eden in Virginia: von der Helvetischen Societet erkaufte 33 440 Jucharten Land Ao. 1736“ im Massstab 1:125‘000. Eine ziemlich ungewöhnliche und sicher ziemlich unbekannte Schweizer Karte. Solche aber gibt es nicht nur für die Schweiz, sondern eben auch für ausländische Gebiete und Bedürfnisse.
Karten, die entweder von Schweizer Autorinnen und Autoren stammen oder die von einem Schweizer Verlag publiziert wurden: Der Berner Kartograf Markus Oehrli verfasste zwischen August 2015 und Dezember 2016 den Blog „Karte der Woche“, wobei die vorgestellten 70 Dokumente einen Querschnitt des Schweizer Kartenschaffens zeigen. Der Blog diente als Beitrag der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie für das Internationale Jahr der Karte. Oehrli wählte vor allem solche Karten aus, für die die Schweizer Kartografie bekannt oder sogar weltberühmt ist, von topografischen Karten über Stadtpläne und Vogelschaukarten, Strassen- und Schulkarten bis zu Panoramen und Reliefmodells. Die ältesten Karten stammen aus dem frühen 16. Jahrhundert, die jüngste von 2016. Die Karte „Mount Washington and the heart of the Presidential Range, New Hampshire“ im Massstab 1:20‘000 erschien 1988, und zwar printed by Orell Füssli + Co. Fast hundert Jahre älter ist die „Karte des Russischen Reichs: mit Angaben der Eisenbahnen und inneren Wasserwege“ im Massstab 1:15‘000‘000, 1895 gedruckt von Kümmerly & Frey.
Eine bunte Kartenmischung also, die nun in anderer Form greifbar ist. In ihrem jüngsten Heft bringt die Halbjahreszeitschrift „Cartographica Helvetica“ 58 der Oehrlischen Kartenporträts in aktualisierter und überarbeiteter Form. Ein wunderbares, höchst interessantes Kaleidoskop von schweizerischen Kartenwerken, farbig präsentiert, informativ und unterhaltsam kommentiert. Ein ungeahntes Schau- und Lesevergnügen. Zum Beispiel mit dem Abschnitt „Diesseits von Eden“.
Markus Oehrli: Kaleidoskop der Schweizer Kartografie. Cartographica Helvetica, 2017, Heft 55. Fr. 25.- Verlag Cartographica Helvetica, Untere Längmatt 9, 3280 Murten, info@cartographica-helvetica.ch, www.kartengeschichte.ch.