Klettern Berner Oberland und Freiburg

Nur klettern ist schöner als baden. Auf geht’s: Zwei neue Kletterführer stellen die schönsten Routen am Gelmersee, Oeschinensee, Lac de Montsalvens und anderswo im südlichen Berner Oberland und im Freiburgischen vor.

„Wahrhaftig ein luftiges Plätzchen für zwei Mann. Auf drei Seiten der gähnende Abgrund, vor uns der Gipfel steil und wirklich grifflos. Die Sache scheint uns etwas heikel, aber sie sollte doch wenigstens probiert werden. Noch 6 Meter sind zu erklimmen; eine glatte, dürre, zum Klettern sehr unangenehme Flechtenart bedeckt den Fels. Von unserem Standort aus zieht sich eine Art stumpfe Kante, immer steiler werdend, zum obersten Punkt. Nach dem ersten Drittel der Kante verflacht sich dieselbe auf eine Länge von 15 cm und mag dem Kletterer einen kleinen Ruhepunkt gewähren. Etwas Ruhe, einige Reserveatemzüge, und die Kletterei beginnt. Auf dem Bauche rutschend, mich mit Händen und Armen durch Andrücken haltend, mit den Knien und Füßen emporstemmend, gelange ich zu oben erwähnter Stelle. Wieder einige gute Atemzüge und in gleichem Stile wird weiter geklettert; die Reserveatemzüge hatten Gutes geleistet, denn ich gebe meinen letzten aus, als ich die obere Kante erfasse und mich hinaufschwinge. Mein Kamerad folgt mir rasch nach, und wir stehen beide glücklich auf dem Gipfel. Ein kleinerer Block, der sich hier befindet, wird so aufgestellt, um, von Guttannen gesehen, einen Steinmann darzustellen; die übliche Gipfelflasche wird mit unsern Namen versehen und darunter gebettet. Bleistift haben wir nicht, doch versehen einige befeuchtete Schwefelzündhölzchen im Notfalle den gleichen Dienst. Noch auf keinem Gipfel habe ich die gleiche Empfindung gehabt wie auf dieser Gneisnadel, gewaltig wirkt diese Steilheit; ein Sprung und man wäre im Gelmersee, in der Handegg, auf der Gelmeralp.“

Wahrhaftig wunderbar, wie der Berner Albert Weber hier die Erstbesteigung des Kleinen Gelmerhorns (2605 m) im östlichen Berner Oberland beschreibt. Vor allem das mit den Reserveatemzügen muss man sich merken, wenn es gilt, scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten doch zu meistern. Wobei natürlich auch die richtigen Utensilien mit von Partie sein sollten – an jenem 9. Juli 1901 hätten mit einem Bleistift die Namen der Erstbesteiger einfacher aufs Blatt Papier geschrieben werden können. Und: Weber trug Kletterschuhe, während sein Gefährte, Bergführer Alexander Tännler aus Wyler bei Innertkirchen, mangels solch spezieller Schuhe in den Socken kletterte! Noch ein Satz je zu den beiden Kletterern: Albert Weber gehörte zur Fünferseilschaft, die am 26. Juli 1903 erstmals den Hauptgipfel der Uschba (4737 m) bestieg; Tännler war bei der Skierstbesteigung des Mont Blanc am 25. Februar 1904 mit dabei. Grosse Namen also, die im Sommer 1901 das Klettern in den Granitzinnen ob dem Gelmersee einführten.

Wer das Kleine Gelmerhorn heute besteigen will, wenn möglich mit Übergang zum Grossen, oder eine der genussvollen Routen an den Gelmerspitzen kennenlernen möchte – ja, wer überhaupt kletternd im Haslital bis zur Grimsel, im Gadmer-Tal bis zum Susten, in den Engelhörnern, im Grindelwald-, Lauterbrunnen- oder Kandertal unterwegs sein möchte, dem oder der sei der neue Führer „Berner Oberland Süd“ von Martin Gerber empfohlen. 7 Regionen, 70 Klettergebiete, 1000 Routen und unzählige Seillängen: Sie sollten reichen für diesen Sommer, und sicher noch für den nächsten. Tolle Fotos (mit eingezeichneten Linien und Schwierigkeitsangaben) lassen einen träumen vom Sektor „Sommerloch“ am Räterichsbodensee und von den Routen „Im siebten Himmel“ oder „Novembersommer“ an der siebten Gelmerspitze.

Wenn aber im November das Klettern im südlichen Berner Oberland mit Gipfeln wie Doldenhorn, Eiger und Scheideggwetterhorn doch schon ziemlich winterlich sein kann, so dass Kletterfinken UND dicke Socken getragen werden müssen, gibt es westlich des westlichen Oberlandes eine grosse Region, wo oft kürzere Seillängen in Talnähe verlocken. Der 2010 erstmals aufgelegte Führer „Escalade Fribourg/Klettern Freiburg“ von Daniel und Martin Rebetez ist in einer zweiten Auflage herausgekommen, mit 227 neuen Routen, zum Beispiel im ebenfalls neuen Gebiet Châtel-sur-Montsalvens ob dem gleichnamigen See. Oder im Nagelfluh-Klettergarten bei Riffenmatt mit alleine 52 Routen, darunter „Mais tire!“, „Kuschelrock“ und „Kletterer a.D.“

Von beiden letzteren Begriffen hat indirekt auch Albert Weber im Beitrag „Zwei neue Besteigungen im Haslithal“ für das „Jahrbuch des Schweizer Alpenclub“ von 1902 geschrieben, nachdem er und Tännler noch in der Nacht in Guttannen aufgebrochen waren: „Im Handegghotel schläft noch alles — oh ihr Philister und Schlafmützen! kommt doch heraus zu uns, die köstliche, frische Morgenluft zu genießen, den erwachenden Tag zu sehen, mit uns euch zu stärken an fröhlicher Bergfahrt. Nein! bleibt lieber im Bette, wir können sie nicht gebrauchen, die zerbrechlichen Knochengestelle, zu unserer heutigen Besteigung.“

Martin Gerber: Kletterführer Berner Oberland Süd. SAC Verlag 2018, Fr. 59.-

Daniel et Martin Rebetez: Escalade Fribourg/Klettern Freiburg. Éditions Grimper.ch, 2018, Fr. 45.-

Ein Gedanke zu „Klettern Berner Oberland und Freiburg

  1. Toller Beitrag und schöne Bilder! Das haben wir nächstes Jahr geplant. Ein schönes Parkhotel haben wir bereits gebucht. Ich freue mich schon darauf… 🙂

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