Klettern in Bern, Iran und anderswo

Klettergeschichte(n), in Führern, einem Film und im Gespräch. Letzteres gerade auch für Nicht-Kletterer zum empfehlen.

Nasim Eshqi, willkommen in der Schweiz, wir haben viele tolle Berge hier, wie Sie wissen. Das muss eine einzige grosse Spielwiese für Sie sein.
Ja, Länder mit vielen Bergen sind die besten. Ich war schon auf einigen Klettertouren in der Schweiz, ich erhielt in den vergangenen Jahren im Sommer jeweils ein Visum für drei Monate nach Europa, um zu klettern – unter anderem in Chamonix oder am Furkapass.

So beginnt das Samstaginterview vom 22. April in der Berner Tageszeitung „Der Bund“, das Chefredaktorin Isabelle Jacobi mit der iranischen Profikletterin Nasim Eshqi führte. Titel des hochspannenden Gesprächs zwischen Sport und Politik: „Ich verstand erst später, wie unterdrückt ich war.“ Eshqi, 41 Jahre alt und die bekannteste Kletterin des Irans, ist zu einer wichtigen Stimme des Protests gegen das Regime in Teheran geworden. Im letzten Herbst kehrte sie nach einer dreimonatigen Kletterreise in Europa nicht nach Iran zurück und hat nun in Italien Asyl erhalten. Ihre Antwort auf die letzte Frage, ob sie glaube, je in ihre Heimat zurückkehren zu können: „Ich bin optimistisch. Ich denke, wir werden uns im Iran mehr Freiheit erkämpfen können. Aber das jetzige Regime klammert sich mit aller Kraft an die Macht, denn sie können nirgendwohin gehen. Sie sagen: Wir werden alles in Schutt und Asche legen. Es wird schlimmer werden, bevor es besser wird.“

Klettern kann mehr sein als die Suche nach dem nächsten Griff, dem nächsten Tritt. Ein kleines Beispiel nur, nicht vergleichbar mit den lebensgefährlichen Taten und Äusserungen von Nasim Eshqi abseits der Vertikalen. Mit „Kanal im Rücken“ eröffnete Wolfgang Güllich 1983 im Altmühltal die zum damaligen Zeitpunkt schwerste Sportkletterroute der Welt. Der Routenname bezieht sich nicht auf eine Verengung des Wirbelkanals, sondern auf den Rhein-Main-Donau-Kanal, eine Grossschifffahrtsstrasse, die von 1960 bis 1992 gebaut wurde und umweltpolitisch höchst umstritten war. In seinem südöstlichen Teil führt der Kanal durch das Altmühltal, das für seine Kletterfelsen weltberühmt ist. Und so wird „Kanal im Rücken“ im neuen Panico-Kletterführer „Bayerischer Jura“ präzis beschrieben: „Weltweit erste Route im Grad 8b/10. Hart 9 im ersten Teil, dann Crux mit ultraweitem Blockierer in schmächtiges Fingerloch. Der Rest spielt sich im unteren 8. Grad ab. So einfach ist der 10. Grad. Route mit absolutem Kultstatus!“

Noch ein Wort zum Titel des Kletterführers. Bayerischer Jura?! Der Jura krümmt sich doch entlang von Frankreich und der Schweiz. Meinte ich jedenfalls. Achim Pasold, Gründer und Direktor des Panico Alpinverlages, vermutete in einem Mail an mich „ein Fall von Schweizer Binnensicht“ und holte dann zu einer geografischen Erklärung aus: „Nach unserer Vorstellung zieht sich der Jurabogen vom Basler Jura weiter über die Schwäbische Alb bis zum Nördlichen Frankenjura. ‚Bayerischer Jura‘ ist aber in der Tat ein selten benutzter Begriff, in der Vorauflagen hieß dieser Kletterführer noch ‚Südlicher Frankenjura‘.“ Da nun aber in der Neuausgabe alle vorgestellten Klettergebiete, mit dem Altmühltal als Herzstück, im Freistaat Bayern liegen, drängte sich der neue Name geradezu auf.

Apropos Namen: Dieses Mineralwasser habt Ihr bestimmt schon mal getrunken – San Pellegrino. Ich wusste, dass es in Italien abgefüllt wird (und nicht in Vevey, weil zum Nestlé-Konzern gehörend…). Nun stolperte ich im Kletterführer „Valli Bergamasche“ über den Ort San Pellegrino Terme, der sich im Val Brembana in der Provinz Bergamo befindet. Die bergsportlichen Vorzüge lesen sich so: „Bequemer Klettergarten, wo das ganz Jahr über, je nach Uhrzeit, Klima und Ausrichtung, geklettert werden kann. Der Sektor San Pellegrino Nuovo liegt kurz oberhalb des Sektors Storico. Die Kletterei ist meist sehr fingerlastig, auf Leisten mit dem einen oder anderen Loch in vertikalen oder leicht überhängenden Platten.“ Also kein Ort für Warmduscher und Stilles-Wasser-Trinker! Die Routen heissen „Stop and go“ oder „Mi scusi signora“; beide sind „molto bella“. Nichts wie hin! Aber vorher noch ins Alpine Museum in Bern, zum Film und Gespräch mit der Neo-Italienerin Nasim Eshqi.

Eberhard Zieglmeier: Kletterführer Bayerischer Jura. Altmühltal, Donaudurchbruch & Donautal, Labertal, Naabtal und Seitentäler. Panico Alpinverlag, Köngen 2022. € 44,80.

Yuri Parimbelli: Valli Bergamasche. Val Seriana, Val Brembana, Val di Scalve, Lago d’Iseo. Falesie/Klettergärten. Edizioni Versante Sud, Milano 2022. € 35,00.

«Climbing Iran» – mit Nasim Eshqi. Alpines Museum Bern, Freitag, 28. April 2023, 17.30 Uhr. Im Anschluss an den Film ist die Kletterin im Gespräch mit der Journalistin Isabelle Jacobi (Chefredaktorin «Der Bund»). Anmeldung unter booking@alpinesmuseum.ch.
Das „Bund“-Gespräch mit Nasim Eshqi ist hier zu lesen: https://epaper.derbund.ch/article/46/46/2023-04-22/2/131407652
Am Dienstag, 25. April 2023, wird der Film auch in Lausanne gezeigt, am Sitz der SAC-Sektion Les Diablerets; https://cas-diablerets.ch/soiree-nasim-eshqi/

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