Fast vor der Haustüre gibt der junge Winter Vollgas. Und auf dem Gulmen trifft man sogar Pinguine der seltenen Art. © Annette Frommherz
Zu unseren Füssen liegt der Walensee und Amden bereits hinter uns. Wir wollen auf den Gulmen. Oberhalb von Arvenbühl schnallen wir unsere Schneeschuhe an, buckeln den Rucksack und ziehen die Mütze tiefer in die Stirn. Das Wetter schlägt uns ein Schnippchen. Morgens war mein Hausberg, der Bachtel, noch in Wolken gebettet, später zeigte sich zögerlich die Sonne, dann zogen Nebelschwaden in dünnen Fetzen ruhig übers Land, als hätten sie die Zeit neu erfunden. Nun liegt ein dunkler Deckel vor der Sonne. Wüssten wir nicht, dass sie irgendwo dahinter steckt, wir würden es nicht glauben können.
Der Aufstieg ist gemächlich. Auch andere Naturliebhaber stapfen über die erste Schneedecke, die uns dieser Winter – noch jung – beschert hat. Bis zur Vorder Höhi gelangen wir nicht; wir zweigen vorher ab. Wir wollen weg von Spuren und Menschen und ziehen es vor, den Steilhang anzupeilen und unsere Kondition zu testen. Flocken tanzen jetzt um uns. Sie kitzeln in der Nase, wenn wir sie einatmen. Majestätisch stehen die Tannen da; verzuckert und in lockeren Abständen. Sie scheinen keine Bedenken zu haben, für das Weihnachtsfest in überheizten Stuben zu landen. Hier im stotzigen Gelände wägen sie sich in Sicherheit.
Oben auf dem Gulmen weht ein eisiger Wind. Haben wir noch vor kurzem hinüber an die Schneewächte gesehen, baut sich nun eine graue Wand um uns auf und lässt die Welt so klein werden, als hätte sie in einer Turnhalle Platz. Aber ganz so pragmatisch will ich es nicht stehen lassen. In Wahrheit ist es der Nebel, der mich wie in Watte hüllt. Ein ander Mal hätte er mich in die Enge getrieben. Je nach meiner grundsätzlichen Befindlichkeit ist der Nebel in der Lage, mit mir dieses oder jenes anzustellen. Heute nimmt er die Gelegenheit wahr, mich in Watte zu packen. Ich lasse es gerne mit mir geschehen.
Nur kurz rasten wir bei etwas getrockneten Früchten, Lebkuchen und Tranksamem. Der Kuhnagel lässt mich nach den Handschuhen greifen. Neben mir gibt ein Skitourenfahrer den Tipp durch, wie kalte Hände aufgewärmt werden können: mit der Pinguin-Technik. Noch nie habe ich davon gehört. Arme gestreckt und eng neben den Körper halten, die Hände mit Spannung vom Rumpf wegwinkeln, dann mit Rütteln die Hände und Arme in Bewegung bringen. Das soll gezielt die Durchblutung in den Händen anregen. Der Wintersportler mit dem gutgemeinten Fingerzeig macht es vor. Putzig sieht er aus, wie er so dasteht und sich schüttelt, als wolle er seine Federschichten vom Wasser befreien. Nur der Frack fehlt ihm und die Flossen und der Schnabel. Pinguine haben aber mehr Fett am Körper als unsereins; ich könnte schwören, dass sie weder mit Rütteln noch mit Watscheln ihre Körperwärme speichern. Geholfen hat mir schliesslich der rasche Abstieg über den steilen Hang. Der Schnee stiebt hinter meinem Vordermann auf. Dann, nahe beim Bach, der sich ins Tal schlängelt, entlockt es mir ganz unverhofft einen herzhaften Jauchzer.