La Suisse et la montagne

Die Schweiz im Bild: Wer die besprochenen Bücher liest (Französisch!!) – ist gewiss im Bild. Über Bilder vom 16. bis ins 19. Jahrhundert, online verlinkt, über nationale Symbole, Heiligtümer, Vacherin Fribourgois und Politik. Klischees, Kitsch und Schweizerkreuz, karikiert und kariert und gemixt. Die perfekte Osterlektüre für Bildungsbeflissene.

Cover Les Alpes2

«La première image de Swiss scenery de Stephen Thompson, album de voyage photographique publié à Londres en 1868, est une photo du Cervin. Un peu plus tard, alors que Zermatt commençait son ascension vers le zénith touristique, une remarquable photographe, Sarah Emery, dans Switzerland through the stereoscope (New York, 1901) insère trois photos du Cervin; elle parle pour Zermatt d’un alpine sanctuary.»

Zermatt als Heiligtum in den Alpen, als alpiner Altarraum, mit dem Matterhorn als Nummer eins der Schweiz und der Schweizer Berge: Ist es nicht immer noch so, was da vor weit über 100 Jahren fotografiert, beschriftet und publiziert wurde? Und sonst merkt man es spätestens im nächsten Jahr, wenn 150 Jahre Erstbesteigung des Berges der Berge gefeiert werden wird.

Matterhorn in Image de la Suisse (1)

Die Hinweise zu den frühen Matterhornfotos finden sich im ersten Kapitel von Claude Reichlers Untersuchung „Les Alpes et leurs imagiers. Voyage et histoire du regard“. Ein rucksacktaugliches Taschenbuch, das uns mitnimmt auf eine spannende Reise, wie die Schweiz ab dem 16. Jahrhundert bildmässig entdeckt und erschlossen wurde. Welche Orte, welche Berge, welche Schluchten zeichneten und malten die Illustratoren? Und wie? Was war ihnen wichtig? Was wollten sie denjenigen mitteilen, die ihre Werke, ihre Publikationen anschauten? Und was für Erkenntnisse dürfen wir (bis) heute daraus ziehen?

Claude Reichler, Honorarprofessor an der Uni Lausanne für französische Literatur und Kulturwissenschaft – auf Deutsch ist von ihm im Rotpunktverlag „Entdeckung einer Landschaft. Reisende, Schriftsteller, Künstler und ihre Alpen“ erhältlich – öffnet uns die Augen für die alten Landschaftsmaler und –fotografen, und für ihre Werke. Einerseits erfahren wir das lesend. Aber dank den Links auf Viaticalpes können wir all die vorgestellten Bilder auch detailgenau anschauen; im Buch selbst sind auch ein paar abgebildet. Viaticalpes ist ein Projekt der Universität Lausanne, das den Illustrationen gewidmet ist, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert in Berichten über Alpenreisen abgedruckt sind. In der Online-Datenbank werden die Stiche erschlossen, kartographisch lokalisiert und zusammen mit den begleitenden Texten aus den Reiseberichten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Cover Les Alpes1

Reichlers jüngstes Werk erschien als Band 95 der „Collection Le savoir suisse“ bei den Presses polytechniques et universitaires romandes. Eine gescheite und anregende Reihe, die in der Deutschschweiz leider viel zu wenig bekannt ist. Band 94 zum Beispiel beschäftigt sich eingehend mit der Rolle, welche die Schweizer Berge, also die Alpen und der Jura, in der hiesigen Politik spielen. Von den Bergen als nationales Symbol und als touristischer Wirtschaftsfaktor über die Berghilfe(n) und den Vacherin Fribourgeois AOC Montagne bis zur NEAT, zur Transjurasienne und zur halbherzigen Unterstützung der Alpenkonvention: Gilles Rudaz und Bernard Debardieux packen in „La montagne suisse en politique“ den eidgenössischen Gebirgsrucksack bis zuunterst aus. Allerdings: Um den beiden Autoren beim ihrer Arbeit wirklich folgen zu können, sollte man sich im politisch-helvetischen Jargon mit den vielen Fachausdrücken ziemlich auskennen.

Cover Image de la Suisse

Keine Französischkenntnisse braucht hingegen das Buch „L’image de la Suisse“ von Gianni Haver. Erstens versteht man die genial-frechen Zeichnungen von Mix & Remix meistens auch dann, wenn man im Französischunterricht einen Fensterplatz hatte. Und zweitens gibt es das Buch ebenfalls auf Deutsch… Also: Ein wirklich kluges und witziges Werk, welches das Bild der Schweiz wunderbar und vielfältig zeigt, hinterfragt, karikiert, analysiert, einordnet. Von den Symbolen wie das Schweizer Kreuz und Helvetia und den Figuren wie Winkelried und Heidi über die Produkte wie Schokolade und Messer und die Bauten wie Chalet und Bunker (sehen ja manchmal gleich aus) bis zum Know-how wie Banken und Sauberkeit und zu den Institutionen wie Armee und Sonderfall: Gianni Haver beherrscht sein Metier, Mix & Remix sowieso. Ihnen verdankt die ganze Reihe der Éditions Loisirs et Pédagogie ihr munteres Erscheinungsbild; ein paar der acht Bände sind es übrigens ins Deutsche, Italienische und Englische übersetzt worden.

Matterhorn in Image de la Suisse (2)

Und, fast vergessen: Das Matterhorn hat bei Gianni Haver selbstverständlich seinen Auftritt – auf vier Seiten. Un mythe de l’alpinisme, une icône touristique et publicitaire: Das ist unser Horu. Und Claude Reichler ergänzt: „Le Cervin est devenu le dieu de l’image alpestre.“

Claude Reichler: Les Alpes et leurs imagiers. Voyage et histoire du regard, Presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne 2013, Fr. 17.50. www.unil.ch/viatimages
Gilles Rudaz, Bernard Debarbieux: La montagne suisse en politique, Presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne 2013, Fr. 17.50. www.ppur.org
Gianni Haver, Mix & Remix: Schweiz im Bild. Mythen – Symbole – Klischees, Lehrmittelverlag Zürich 2012, Fr. 17.90; L’image de la Suisse, Editions Loisirs et pédagogie, Le Mont-sur-Lausanne, 2011. www.editionslep.ch

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