Lehmann und Schultze in der Schweiz.

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„Vom Rigi bis Bern ist eine sehr scheene Jegend und ich glaube wohl die scheenste der Schweiz. Denn daderzwischen liegen die Hauptkerls von Berge: die Jungfrau, mit ihren ollen schneeweißhaarigen Liebhaber und Nachbar Mönch; dann natürlich hinterm Mönch gleich dadervor der stockfinstere Aarhorn, dann dessen Schwager Wetterhorn nebst Spielzeug Eiger un’s kleene Wetterhorn mit die andern Hörner.“

So beginnt die vierte Aufzeichnung in „Lehmann’s Reise-Tagebuch“ aus dem 1863 publizierten Reiseführer „Lehmann und Schultze in der Schweiz“. Er besteht aus Tagebucheintragungen von Lehmann sowie aus Dialogen zwischen Lehmann und Schultze aus Berlin und einem namenlosen Sachsen; an den Gesprächen nehmen zuweilen weitere Personen (Touristen und Einheimische) teil. Am Schluss des mit Stichen illustrierten, 112seitigen Buches finden sich 122 Gasthoftipps. Vorbild sind die humoristischen Reisebilder „Schultze und Müller“, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen sind; die beiden Protagonisten reisten zum Beispiel ins Riesengebirge und den Harz, an den Rhein, nach Paris und Rumänien, in die Sächsische Schweiz. In der ursprünglichen nun war Schultze mit Lehmann unterwegs; ihr Bericht über die Tour de Suisse zu den damals bekanntesten Orten zwischen Boden- und Genfersee nahm Bezug auf Bädekers Reiseführer zur Schweiz, der 1844 zum ersten und 20 Jahren später bereits zum zehnten Mal aufgelegt wurde.

So erfolgreich war „Lehmann und Schultze in der Schweiz“ natürlich nicht. Das Buch ist ja auch mehr zur Unterhaltung denn als wirklicher Reiseführer gedacht. Und ersteres tut es noch immer, obgleich man vielleicht nicht alle (berlinerischen) Ausdrücke und Anspielungen versteht. Ein Auszug aus dem 17. Kapitel, das im Hotel zur Jungfrau auf der Wengern-Alp spielt und das Alpenglühen beschreibt, damals eine touristische Hauptattraktion (wenn das Wetter denn mitmachte):

   Schultze. Nu fängt das Alpenjlühen an, sieh mal, wie det Allens so schnell roth wird. Jott bewahre, so wat lebt nich, sieh, sieh – immer rother und rother! Jetzt is se feurig: Der reene Kien! Nun wird se dunkelrother – – wie das vom weissen Schnee absticht. Nee, so wat hab ick noch nie gesehen – –
   Sachse. Ja, Herr Schultze und Lehmann, wunderschöneken sieht’s Alpenglühen aus, so feuerroth, gutester Herr Schultze, wie gestern Ihre Nase –
[…]
   Lehmann. Magniperbe, magniperbe, forchtbar nett, piknett! Et is doch ne scheene Eigenschaft bei die Jebirgsvölker, das Alpenjlühen. Sonne Repoblike mit Alpenjlühen laaße ick mir gefallen. Da möcht ick ooch drin leben. Bei uns jlüht blos der Sand, und wenn die Sonne so wie heite druf gestanden hat, brennt er.
   (Eine Menge Gäste stürzen aus dem Gasthaus.)
   Schultze. Du seh mal den dicken Mann da an, der hat in der Eile den Leibrock verkehrt angezogen, der sieht äußerst putzig aus.
   Ein Schwabe. Dösch ischt’s Alpeglühe – den ganze Sommer ischt noch kanes net g’wese. So wunderschön hat’s lange net ausg’schaut auf de Bergle.
   Schultze: Du Lehmann, hör mal, das muß’n Schwabe sein, weil er so ville Zischlaute von sich giebt. Heert sich das komisch an!
   Ein Russe. Dere Nattur is hirr serre großartig, hab’n wirr in Ruhßland nirrgends – – möchte falln auf Knie und betten vor Freude, und danken dem Herre Gott!
   Ein Zwickauer (zum andern). Hast De gesehen, hast De gesehen wir die Jungfrau jetzt aussieht? Hat se doch zuerst geglänzt wie’n Lujedor und ist geworden jetzt ganz dunkelroth wie Kupfer. Gott wie schain, wie schain. Werd ich mich noch verlieben in de Jungfrau.

Lehmann und Schultze in der Schweiz. Ein komischer Bädeker für Schweizerreisende. Herausgegeben von der Redaction des Komikers. Mit Illustrationen und einem Verzeichnis empfehlenswerther Schweizer Gasthöfe. Druck und Verlag von Otto Janke, Berlin 1863.

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