Mallorcas Wilder Westen

Mallorca ist nicht nur Hotelplan oder Neckermann. Hoch über dem Meer liess sich ein britischer Poet begraben, dem sogar ein Museum gewidmet ist. Vor seinen Pforten führt ein Wanderweg vorbei, zehn Etappen durch die Serra de Tramuntana. Spannend erzählt im vorliegenden Buch. Lesen lohnt sich, wandern sicher auch.

Mallorca

„El Poeta. Der Dichter. Das also bleibt: eine Steinplatte, flach in den Boden eingelassen, darauf der Name, die Lebensdaten, die Berufung. „Robert Graves, 24.7.1895 – 7.12.1985, Poeta“. Ein bescheidenes Grab am Friedhof von Deià, einem kleinen Flecken in den Bergen Mallorcas, zweihundert Meter über dem Meer. Schmale Gassen klettern den Hügel hinauf, die steinernen Häuser entlang. Katzen schlafen im Schatten von Palmen und Pinien, der Postbote zieht seine Runden und hält einen Schwatz zwischen Tür und Angel. Am höchsten Punkt des Ortes die Kirche Sant Juan Bautista und der Friedhof. Hier liegt er, der englische Dichter Robert Graves, bewacht von den Colls, Marroigs und Coloms. Es ist eng hier oben, jeder kennt jeden. So wie sich schon zu Lebzeiten kaum jemand vor dem anderen verstecken konnte. Deià ist ein Dorf.

Jenseits der Friedhofsmauer der Blick auf Terrassen mit alten Bäumen voller Oliven, Zitronen und Feigen, auf die Straße nach Sóller, auf ein Haus, umgeben von einem Garten: Ca N`Alluny. Hier hat der britische Schriftsteller Robert Graves den Großteil seines Lebens verbracht. Von seinem Schlafzimmer aus hat er das Meer gesehen, die Kirche, den Friedhof und das Blau des mallorquinischen Himmels.“

Wunderbar, nicht wahr? Macht ziemlich gluschtig auf die kommenden Frühlingsferien! Ich schlage Ihnen drei Möglichkeiten vor:
1. Sonne, Sand, Sangria und so;
2. Auf einem neu ausgeschilderten, wunderschönen Weitwanderweg entlang einer felsig-grünen Küste mit traumhaften Aussichten aufs Meer und auf gedeckte Tische;
3. Im Liegestuhl auf Balkonien, ein Wanderbuch lesend, ohne Anstrengung und Blasen.
Dann, und zwar in jedem Fall: auf nach Mallorca!

Für Variante 1 habe ich allerdings keine Lektüre zur Hand (braucht es wahrscheinlich auch nicht). Doch für die Varianten 2 und 3 gibt es neues Buch, das ich Echt- und Sofawanderinnen nur empfehlen kann: „Mallorcas wilder Westen“ von Susanne Schaber. Die in Wien lebende Literaturkritikerin und Reiseschriftstellerin schildert den acht- bis zehntägigen Wanderweg „Ruta de pedra en sec“ durch die Serra de Tramuntana, der seit letztem Jahr als GR 221 markiert ist. Natürlich serviert die Autorin alle nötigen wandertouristischen Infos, aber sie tischt eben auch spannende Geschichten vom Wegrand auf, wie zum Beispiel Don Roberto, el poeta inglés. Und wie gut sie das macht. Deshalb gleich nochmals eine Leseprobe aus diesem Führer mit hohem Lese- und Gebrauchswert, und zwar den Schluss des Kapitels zu Deià und Robert Graves:

„Deià ist zur Enklave der Nobeltouristen avanciert, mit Luxushotels und Villen, die bis zu den Ausläufern des Puig des Teix hinauf wachsen. Hier setzt man auf Robert Graves. In der Ca N`Alluny, einem vorbildlich betreuten Literaturmuseum, steigen ihm die Besucher fast bis ins Bett hinterher. Die Poeten-Tour startet in Wohnraum und Küche, führt weiter in das winzige Arbeitszimmer und in die Kammer mit der Druckerpresse, wo Laura Riding, Robert Graves und später auch sein Sohn Tomás bibliophile Bücher hergestellt haben. Im ersten Stock die Schlafzimmer und ein kleiner Saal mit Dokumenten zu Leben und Werk des Dichters. Graves selbst scheint das Haus gerade erst verlassen zu haben. Vielleicht ist er nur kurz im Garten und bald schon zurück in seiner Klause? Auf dem hölzernen Schreibtisch liegen Federn, Bleistifte und mehrere Blätter Papier, schwungvoll beschrieben und mit vielerlei Korrekturen versehen. Daneben eine Tasse Tee, das Foto seiner Frau, die Brille. Über dem Stuhl eine ärmellose Weste. Im Vorzimmer ein Bord mit Hemden und Handtüchern, frisch gewaschen und gebügelt. Der Dichter, zum Greifen nah.

‘It`s not my island, but theirs’, hat Robert Graves immer geantwortet, wenn er nach seiner Insel befragt wurde. Er wusste, dass er nicht dazugehörte, dass er in Deià nur zu Gast war. Und doch wollte er für immer hier bleiben und beerdigt sein. Poeta. Eine schlichte Steinplatte auf seinem Grab, weit unten das Meer.”

Susanne Schaber: Mallorcas wilder Westen. Wandern in der Serra de Tramuntana. Wege und Geschichten. Rotpunktverlag, Zürich 2013, Fr. 32.-, www.rotpunktverlag.ch

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