Matterzorn und andere Bergkrimis

Tod in Bergen: Das passiert leider. Manchmal auch mit Absicht. Aufpassen also, im Chalet am Gletscher so gut wie im Berggasthaus.

»Das ist nichts für mich. Die Anstrengung, diese Gletscherspalten«, seufzte Spyros und kramte im Rucksack nach einem Schokoriegel.
»Jetzt hör auf damit, dir dauernd etwas in den Mund zu stopfen. Schau dir diese dunklen Wolken hinter dem Matterhorn an. Wenn die uns erreichen, sind wir geliefert«, mahnte Hendrik und setzte einen vorsichtigen Schritt auf die Eisbrücke.
»Welches Matterhorn?«, fragte Spyros und sah sich ahnungslos um.

Fragt sich bloss, ob Spyros, Koch und Influencer auf einer Finca in Mallorca, das Matterhorn einfach nicht kannte – oder nicht mehr sah, weil es die heranstürmende Schlechtwetterfront bereits verschluckt hat? Ob er und Hendrik, ebenfalls Influencer, aber nicht als Koch-, sondern als Lebenskünstler rund um den Globus, das nigelnagelneue Chalet überhaupt erreichen werden, quer über den mit eiskalten, abgründigen Spalten aufwartenden Gornergletscher hinweg? Über dieses Domizil sollen die beiden Männer zusammen mit den Influencerinnen Anni, Alex und Tucker verlockende Beiträge auf Instagram hochladen. Als Belohnung winken 100‘000 Dollar – unter zwei Bedingungen: Niemand darf das Messner-Chalet verlassen, und es darf nur positiv berichtet werden. Ob das gut geht? Nein, natürlich nicht! Was wär das sonst für ein Psychothriller?

»Wir werden es gemeinsam rausschaffen«, erwiderte Valeria. »Mach dir keine Sorgen.«
Maria sagte nichts, aber nur zwanzig Minuten später, als sie durch eine Schneedecke stapften, die ihnen bis über die Knie reichte, hörte Valeria ihr Keuchen und sah ihr schmerzverzerrtes Gesicht.
»Komm schon«, sagte sie. »Nur noch ein bisschen weiter.«
»Es ist … so verflucht kalt. Und anstrengend.«

Ob die Ermittlerin Valeria Ravelli und die Angestellte Maria die Flucht aus dem Anwesen eines schwerreichen Geschäftsmannes schaffen werden? Oder holen die bewaffneten Schergen auf ihren Schneemobils die beiden Frauen noch ein? Und geht damit das Wintersterben rund um das nicht lokalisierbare Dorf Steinberg irgendwo in den Walliser Alpen weiter? Wie das Abhauen ausgeht, erfahren die KrimileserInnen ab Seite 352, wenn sie bis dort durchgehalten haben.

»Fahren wir jetzt weiter? Ich habe schon einen ganz kalten Hintern.«
»Ja, aber fahr mir nicht wieder davon, wir müssen immer in Blickkontakt bleiben. Weißt du, was das heißt?«
Lisa nickte. »Aber wie soll das gehen, bei dem vielen Schnee?«

Das fragen sich nicht nur der abgehalfterte Polizist Massimo Capaul und seine Ziehtochter, sondern wohl bald auch die Liftangestellten, die Verwandten und später die Polizei. Denn Massimo und Lisa finden nicht zurück auf die Piste und ins Tal, dafür eine abgelegene Jagdhütte in einem Seitental des Engadins, die sich zum Glück öffnen lässt. Weniger glücklich ist der Fund einer abgeschlagenen Hand, wenigstens für Massimo. Doch er wird, mit tatkräftiger Hilfe von Lisa, auch seinen sechsten Fall lösen, eigentlich fast so nebenbei, denn wenn es schneit und schneit, ist man plötzlich auf sich allein gestellt, in einer Hütte oder dann in einem verdammt abgelegenen Bauernhof. Ob sich dort gar der Mörder versteckt? Selber lesen. Zum Beispiel im Hotel Blatterhof am Fusse des Matterhorns.

»Übergibst du mir morgen die Fotos? Ja oder nein?«
»Hör jetzt auf mit dieser Fragerei. Was ist mir dir los?«
»Ich muss wissen, ob du ein falsches Spiel treibst.«
Elmar trat bedrohlich nah an Klaus ran. Platz zum Ausweichen gab es keinen.
»Es ist mir nicht zum Spaßen. Wie schnell passieren Unfälle in den Bergen. Das möchtest du doch nicht, oder?«

Ob der Abstieg vom Gipfel des Matterhorn, den die Jugendfreunde und Geschäftspartner Elmer und Klaus kurz nach diesem Disput antreten, in Minne oder Zorn ausgeht? Auch diese Frage sei hier nicht beantwortet. Aber sie spielt eine Rolle im Zermatter Kriminalroman um die neue Hotelangestellte Laura Pfeiffer und um alte Dorfseilschaften, bei denen einige Einheimische ein ziemlich falsches Spiel treiben. Am besten zu lesen ebenfalls im Hotel Blatterhof, in einem Engadiner Hexenhäuschen, in der Pension in Steinberg oder natürlich im Chalet Messner am Gornergletscher. Buchen über www.mountainlodge.ch.

André Gebel: Eiskalter Abgrund. Psychothriller. Piper, München 2022. € 20,00.

Martin Krüger: Wintersterben. Thriller. HarperCollins, Hamburg 2022. € 15,00.

Gian Maria Calonder: Engadiner Knochenbruch. Ein Mord für Massimo Capaul. Kampa, Zürich 2022. Fr. 19.90.

Christine Bonvin: Matterzorn. Kriminalroman. Gmeiner, Meßkirch 2023. € 18,00.

PS: Massimo und Lisa verpassen oberhalb Sils im Engadin nicht nur die letzte Bergfahrt, sondern auch die Talfahrt. Nicht verpassen sollte man aber am Donnerstag, 16. März 2023 um 18 Uhr, im Alpinen Museum in Bern den Vortrag „Lost Ski Area Projects“ von Christoph Schuck. Der Professor für Politikwissenschaften und Autor von «Letzte Bergfahrt» verbindet in der Führung durch die Ausstellung „Après-Lift. Skiberge im Wandel“ wissenschaftliche Erkenntnisse mit emotionalen Eindrücken. Anmeldung unter booking@alpinesmuseum.ch oder 031 350 04 42. Kosten: Fr. 15.– inkl. Ausstellungseintritt und Feierabendbier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert