Wenn nicht im Himmel, so doch in den Bergen. Oder in den Bärgen, wie mir gerne ein Freund schreibt, der Berge mit Gipfeln bevorzugt, die mit einer Bahn zu erreichen sind und die oben ein möglichst annehmliches Gasthaus vorweisen können.
© Annette Frommherz
Weshalb er Bärge schreibt, weiss ich nicht. Ich sollte ihn danach fragen. Ist es sein Stil? Will er sich von der grauen Masse abheben? Verwendet er dieses Wort nur, wenn er mit mir korrespondiert? Oder ist es sein Hang, das hohe Deutsch gerne in die mundige Art abgleiten zu lassen? Ich zweifle. Kenne ich ihn nicht gut genug, dass ich ihn danach fragen muss? Ich sinniere. Bärg liest sich wild und rau wie ein Bär. Ausgesprochen tönt es nach Geplärr. Bärg. So herablassend. So, als würde Lakritze zwischen den Zähnen kleben bleiben.
Den Freund kenne ich seit siebzehn Jahren. Erst in der letzten Zeit haben wir angefangen, über Berge zu reden. Er schickt mir alles, was ihm an Artikeln in die Finger gerät, und das ist hie und da etwas, denn er ist Journalist. Wenn ich darüber nachdenke, was es bedeuten könnte, fällt mir auf, dass sein Ton ab und an ironisch tönt. Denn der Freund ist einer, der gerne von ‚Sport ist Mord’ redet und sein süsses Bäuchlein so trägt, wie Männer mit Bauch es tun: mit dem Hemd über der Hose. Kann er meiner Leidenschaft, auf Berge zu steigen, nichts abgewinnen? Ich denke weiter. Nein, Ironie kann es nicht sein. Oft lesen sich seine Zeilen nämlich, als sei er stolz, eine gute Freundin zu haben, die sich in den Bergen herumtreibt. Er kennt mich gut, der Freund. Er weiss immer, was ich mir wünsche. Keine Gelegenheit lässt er aus, mich zu beschenken. In der Zwischenzeit erhalte ich von ihm Bücher über Berge, Berge von Büchern. Er trifft es gut, ausser ich besitze das Buch bereits.
Berge. Ich würde dieses Wort nie verfälschen. Zu sehr liegt mir die Sprache am Herzen. In Ausnahmesituationen gestatte ich mir höchstens einen Abstecher mit Wortspielereien aus der Mundart. Ich werde den Freund nach seinen Beweggründen fragen. Ich will es wissen; ein Motiv muss er haben. Und Freunde darf man alles fragen, sonst wären sie keine.
Übrigens: meine Aussage war nicht richtig. Mein Wille geschieht weder im Himmel noch in den Bärgen.