Monte Sordo

Klettern in Finale zum zweiten (in diesem Jahr). Zum Abschied am Monto Sordo, dem tauben Berg mit seinen Ohren aus Stein.

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Vielleicht haben Berge Ohren, können hören, was wir reden und rufen. Nicht umsonst ruft schon der Psalmist hinauf zum Berg: «Woher kommt mir Hilfe?» Doch dieser Berg ist taub. Der Fels zwar durchlöchert, als ob er tausend Ohren hätte, doch sein Name sagt alles: Monte Sordo. Der taube Berg. Vor Jahren gab es da unten im Tal zwischen Monte Sordo und Rocca di Perti einen grossen Hundezwinger und man kletterte, begleitet von ständigem Gebell. Vielleicht hat der Berg deshalb seine Ohren verschlossen und beschlossen, fortan Sordo zu heissen. Nun aber ist Ruhe eingekehrt, mit zwei Fingern hängen wir uns in die felsigen Ohren und klettern – es ist ein Genuss. Die Herbstsonne warm, Spätsommer, gelb das Laub, das Meer glitzert fern im Dunst.
«Franco e Ketty» – wer immer die zwei waren, die der Route über den Pfeiler neben der grossen Verschneidung den Namen gaben, wir stellen uns eine Sportklettervariante von Romeo und Julia vor. Schliesslich befinden wir uns in Italien, nicht Venedig zwar, sondern Finale. Ohnehin fällt auf, dass hier meist in Paaren geklettert wird, da machen selbst wir keine Ausnahme. Es ist wohl der Süden, das warme Ambiente, der freundliche Fels, der die Erotik ins Spiel mischt. Denn es ist ja ein Spiel, das wir betreiben, die Geschicklichkeit, die Kraft, der Mut über den Haken zu steigen – der nächste ist ja meist nicht so weit weg.
Schweigend erträgt uns der Berg, stellt sich taub, ob wir leiden oder uns freuen über einen gelungenen Rotpunkt 6b und ein Küsschen tauschen. Felsenfest steht er, nur die Griffe, seine versteinerten Ohren, sind schon ein bisschen abgewetzt von tausend Fingern, die darin Halt gesucht und gefunden haben. Da kommt einem das alte Bild vom Vogel in den Sinn, der jedes Jahr einmal am Berg seinen Schnabel wetzt. Hier sind es die Finger der Kletternden – und wenn der Berg zu Staub geworden ist, ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorüber. Und kein Mensch mehr da, der klettern wollte.
Doch die Ewigkeit kümmert uns nicht. Klettern ist Hier und Jetzt und nach ein paar Routen steigen wir ab, ein letzter Cappuccino in der Bar Centrale in Finalborgo. Arrivederci Finale.

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