Ein dick illustriertes Buch, das die Geschichte, den Vintage-Stil und das visuelle Erbe der britischen Outdoor-Bekleidungsmarken feiert. Dazu passt bestens «Repair» im Fundbüro für Erinnerungen im ALPS.
«I am unusually long from shoulders to top of head + need plenty of allowance made in hood of windproof.»
Diese Angaben zum ungewöhnlichen Abstand zwischen Schultern und Scheitel des Kopfes notierte Edmund Hillary auf eine Papierseite, auf der seine Körpermassen eingezeichnet sind. Solche Angaben waren nötig, um die Bergkleider der Teilnehmer an der britischen Everest-Expedition von 1953 zu fertigen. Am 29. May erreichten Hillary und Tenzing Norgay als erste Menschen den höchsten Berg der Welt. Dort oben braucht es schon die passende Ausrüstung bzw. Jacke. Aber nicht nur dort, sondern überhaupt beim Bergsport. Erst recht in Grossbritannien; die Insel ist ja nicht bekannt für zu viel Sonnenschein, man denke nur an die winterlichen Verhältnisse am Ben Nevis.
Mit der Everest-Erstbesteigung beginnt ein aussergewöhnliches Bergbuch, das die Geschichte, den Vintage-Stil und das visuelle Erbe der britischen Outdoor-Bekleidungsmarken festhält: «Mountain Style: British Outdoor Clothing 1953–2000». Henry Iddon und Max Leonard schildern, wie die Outdoor-Bekleidung zu boomen begann, und das mit vielen vorzüglichen Illustrationen (Stilleben mit den Oberkleidern, auch Detailaufnahmen; Actionfotos, beispielsweise der berühmte Joe Simpson im Kopfstand auf der Ama Dablam; Reklamen). Was Wanderer und Kletterer trugen, entwickelte sich von Wollpullovern, Army Surplus und Baumwolle oder Tweed zu hochtechnischer Spezialkleidung. Hauptverantwortlich dafür war eine kleine Gruppe von Alpinisten, die die Produkte, die sie brauchten, nicht kaufen konnten und deshalb beschlossen, sie selbst herzustellen. Damit war der Grundstein für die globalen Marken gelegt, die man heute kennt: Berghaus, Craghoppers, Karrimor, Mountain Equipment, Rab, Sprayway und andere. Britische Outdoor-Bekleidung wird nach wie vor in harten Verhältnissen getragen, ist aber inzwischen auch allgegenwärtig – sie ist gleichermassen bei Wanderern, alltäglichen Hundespaziergängern und Liebhabern von Vintage-Kleidung im Osten Londons, in Manchesters Northern Quarter oder in Tokio zu sehen. «The interesting point about modern mountaineering clothing is that it is smart enough to wear in Mayfair, too», lesen wir auf Seite 177. Nun, einige Kleider werden allerdings heute wohl weder am Berg noch im Berliner Popup-Store getragen: die mutig farbigen Jacken und Hosen der 1980er und 1900er Jahre, ganz zu schweigen von den gestreiften Kletterleggins! Aber den halb blauen, halb grüngelben Montane Sirocco Windbreaker von 1999 würde ich sofort überziehen.
Auf den Seiten 38/39 in «Mountain Style» ist die grüne Alpcan Daunenjacke abgebildet, die Mike Westmacott während der Everest-Expedition von 1953 trug; das gleiche Modell trugen auch Hillary sowie George Band bei der Erstbesteigung des Kangchenjunga 1955. Mikes Jacke ist an mehreren Stellen mit braunem Scotch geflickt. Wer am Berg unterwegs ist, muss ja auch reparieren können. Darum geht es in «Repair» im Fundbüro für Erinnerungen im ALPS: «Ob Konsumkritik, Nachhaltigkeitsgedanke oder Lifestyle – wir schauen, was hinter dem Trend des Reparierens steckt und was er für den Bergsport bedeutet. Im Fundbüro für Erinnerungen sehen Sie, dass Pflegen und Reparieren Teil der Geschichte des Bergsports sind. Was gilt es beim Flicken von Outdoormaterial zu beachten? Und welche Geschichten stecken hinter den reparierten und kaputten Objekten?» Viele Veranstaltungen begleiten diese partizipative Ausstellung im Alpinen Museum der Schweiz in Bern. Passend zum Thema: die beiden Secondhand-Bergsportläden 2nd Peak in Bern und Zürich. Sicher finde ich dort eine coole Bergjacke mit genügend grosser Kapuze.
Henry Iddon & Max Leonard: Mountain Style: British Outdoor Clothing 1953–2000. Isola Press, London 2024. Fr. 74.70 www.pizbube.ch
Repair: Fundbüro für Erinnerungen im ALPS, dem Alpinen Museum in Bern; bis Januar 2026. https://alps.museum/ausstellungen/repair. Die nächste Verantstaltung am Samstag, 5. März von 13 bis 17 Uhr: Upcycling für alle. Aus Alt wird Neu! Studierende der Pädagogischen Hochschule Bern sind während vier Stunden vor Ort und upcyclen gemeinsam mit dir gebrauchtes Outdoormaterial. Für Material und kreative Ideen ist gesorgt.
Secondhand-Outdoorshop: 2nd Peak Läden in Bern und Zürich. https://2ndpeak.ch/