Die einen sammeln Flugmeilen oder Anstecknadeln, wir die kleinen Auszeiten. Wie auch immer wir sie verbringen. © Annette Frommherz
«Du gehst?» Sein Blick ist erstaunt.
«Ich will mich mal wieder meinem Sohn zeigen.»
Sein Schmollen steht ihm gut. Unterlippe vorgeschürzt, Seehundblick, Hände auf dem Rücken. «Ich könnte ein Fondue kochen, etwas Brot hat es noch.» Und er schaut mich aufmunternd an.
«Ich sollte doch…», versuche ich.
«Soll ich Fondue etwa alleine essen?» Den leichten Vorwurf umwickelt er mit etwas Charme. Ich schmelze wie der Käse, den er bald im Caquelon rührt. Er verspricht mir sogar Hüttenromantik, stellt Kerzen auf den Tisch und den Kirsch Eigenmarke dazu. Die rot/weiss karierten Vorhänge, sagt er, könne er leider nicht bieten.
Es ist der gelungene Abschluss eines Tages, den wir uns samt dem Abend loben. Die Flumserberge zeigten sich zwar wettermässig nicht von der besten Seite, dafür hatte es etwas neuen Schnee, den wir antrafen, als wir die Pisten testeten. Aus den mageren Höhenmetern, die wir in letzter Zeit aus eigener Kraft ergattert hatten, ergaben sich keine ausgiebigen Abfahrten, so dass wir für heute diese Variante in Betracht ziehen mussten.
Ohne LVS und Rucksack mit Schaufel fühlen wir uns etwas nackt auf den Pisten, auf denen sich die Zivilisation tummelt. Keine lautlos stiebenden Schwünge im Tiefschnee, nur wilde Jagden von Skiern und Snowboards um uns herum, dass es mich schaudert. Einen Helm trägt nur er, ich habe mir bis zum heutigen Tag keinen aufdrängen lassen.
Im Restaurant schreiben sie Rindsragout aus und Kalbsmedaillon und Crevetten. Die Gastronomie hat sich den Berg hinauf geschlängelt und fast unbemerkt Nouvelle Cuisine, tote Tiere und städtische Preise auf die Karten gesetzt. Wir vermissen die Käseschnitten und das Raclette und suchen umsonst nach der Gerstensuppe. Und – wenn ich ganz ehrlich bin – vermisse ich unser Stück Käse und das gebrochene Brot, das wir manchmal, sitzend auf unseren Rucksäcken, mit Heisshunger verzehren, irgendwo und nur von Stille umgeben. Hier in dieser lärmig trendigen Skihütte müssen sogar die Älplermakronen einen Tag im voraus bestellt werden. Es wird immer besser, denke ich und sagt er.
Aber wir verachten dann doch den heissen Eierlikör mit Schlagrahmhaube nicht. Auch sonst lassen wir uns gerne bedienen, vor allem mit Kaffeenachschub. Und das ist ja das Schöne an der Piste, das vor allem ich sehr schätze: hier gibt es Kaffee an jeder Tankstelle.
Wir rühren also in der Käsesuppe, der Kirsch wärmt von innen. Es ist der erste Wahlsonntag dieses Jahres. Die Bürger der demokratischen Suppe haben soeben bestimmt, dass Zweitwohnungen in diesem kleinen Land nur noch begrenzt gebaut werden dürfen. Unsere Stimmen waren auch für dieses Resultat, denn wo kämen wir hin aus lauter Platzmangel. All die kalten Betten in Häusern, die in die Felsen der Berge gebaut werden müssten. Oder die Seen, die für Wohnraum entwässert würden? Ich mag nicht daran denken und rühre weiter. Einen Kuss pro Mocken, der in den Käse fällt, das ist die Abmachung. Am Schluss steht 4:1 für mich.
Nette Anette
Du schreibst einfach gut, so gut, dass es mich Überwindung kostet, dir das mit meinem mir banal erscheinenden Worten zu sagen.
Herzliche Grüsse
Caspar