Nives & Romano, Claude & Yves

Der «Albert Mountain Award» (früher King Albert I Mountain Award) ist fast sowas wie der Nobel Preis des Alpinismus – jedenfalls eine noble Angelegenheit und irgendwie auch mit einem König verbunden. Diesmal kommen unter andern zwei ganz besondere Bergsteigerpaare der Spitzenklasse im Klettern wie auch im Schreiben zu Ehren.

Cover Nives Meroi

„Wir beide sind alleine unterwegs, die Ersten in diesem Jahr, wir spuren den Weg im noch unberührten Schnee und kennzeichnen ihn für all diejenigen, die nach uns kommen werden.
Das Knirschen von Romanos Steigeisen gibt die Richtung an. Seine langsamen, gleichmäβigen Schritte definieren den Raum, denn im Abgrund dieser unermesslichen Dunkelheit existiert Raum nur in Form von Zeit. In dieser Insel der Leere, wo sich nichts bewegt und jedes Geräusch unbekannt ist, sind wir die einzigen Lebewesen: Unser Atem und unser Schreiten bewegen sich innerhalb der unergründlichen Zeit der Erde.“

Werden sie es diesmal schaffen? Wird das italienische Paar Nives Meroi und Romano Benet an diesem 17. Mai 2014 endlich den Gipfel des Kangchendzönga (8586 m) erreichen, den dritthöchsten Berg der Erde? Schon am 17. Mai 2012 hätten es die beiden eigentlich schaffen können, doch beim Aufstieg vom obersten Biwak nahmen sie in der Dunkelheit die falsche Route und standen fast auf dem Mittelgipfel (8482 m) des Kantsch, als sie den Irrtum bemerkten. Am 17. Mai 2009 waren Nives & Romano das erste Mal hoch oben gewesen, auf über 7500 Metern. Aber dann konnte Romano keinen Schritt mehr weiter gehen, ja, auch kaum mehr hinunter, so schlecht fühlte er sich. Elf 8000er hatten sie gemeinsam bestiegen, der Kangchendzönga wäre der zwölfte gewesen. Nives war damals ganz vorne mit dabei, als es um den Rang der ersten Frau auf allen Achttausendern ging. Doch sie entschied sich an diesem 17. Mai 2009 gegen den Weiteraufstieg alleine und somit gegen den Wettlauf: „Nein, wir steigen zusammen ab. Jetzt. Ich werde dich hier nicht warten lassen.“

So heisst auch das neue Buch von Nives Meroi: „Non ti farò aspettare. Tre volte sul Kangchendzonga, la storia di noi due raccontata da me.“ Nun liegt es in deutscher Übersetzung vor. Ein sehr starkes Buch! Es erzählt eindringlich und einfühlsam zugleich von einer Seilschaft fürs Leben, in der dünnen Luft hoch oben und in der dicken Luft ganz unten, in der Klinik – nur ein paar Schritte vom Sarg entfernt. Dass ihm Romano entgehen konnte, dass er überhaupt wieder auf Berge steigen kann, grenzt an ein (medizinisches) Wunder. Und wie Romano & Nives wieder gemeinsam unterwegs sind: Am 17. Mai 2014 meinte es der Kantsch gut mit ihnen, und am 12. Mai 2016 standen sie auf dem Makalu (8485 m), ihrem 13. Achttausender, wie immer ohne künstlichen Sauerstoff. Ein wunderbarer Erfolg für das Paar, das einen ganz eigenen Weg geht im leistungs- und medienstrapazierten 8000er-Bergsteigen. Jetzt fehlt nur noch die gefährliche Annapurna.

Cover King Albert I

Vorher aber erhalten Nives Meroi & Romano Benet noch eine Goldmedaille: Den Albert Mountain Award, den die schweizerische King Albert I Memorial Foundation alle zwei Jahre für massgebliche Verdienste in der Welt der Berge übergibt. Die Stiftung, die der ehemalige St. Moritzer Kurdirektor Walter Amstutz 1993 zu Ehren des belgischen Königs Albert I. (1875–1934) gegründet hat, schreibt in ihrer Begründung, dass Meroi & Benet mit ihrer „bedingungslosen gegenseitigen Loyalität exemplarisch den Begriff der Seilschaft“ versinnbildliche. Der Albert Mountain Award wird dem Paar am Samstag, 3. September 2016, auf der Diavolezza oben überreicht. Und noch ein zweites Paar erhält dann diesen goldenen Preis, neben dem deutschen Permafrostexperten Michael Krautblatter und dem slowenischen alpinen Museum: die Gebrüder Claude & Yves Remy aus dem Waadtland.

Unter Kletterern müssen die Remys nicht mehr vorgestellt werden: Mit legendärem Sinn für kletterbare Linien und nie erlahmender Leidenschaft haben die beiden seit 1970 rund 15’000 neue Seillängen eröffnet und eingerichtet, in ganz Europa, vor allem aber in der Schweiz und Griechenland. Die Gebrüder Remy seien, schreibt die King Albert I Memorial Foundation, „zu eigentlichen Wegbereitern des Felskletterns als Breitensport emporgestiegen“.

Cover Remy Dreams

Das wollen wir auch, mit ihnen natürlich. In ihrem jüngsten Führer „Dreams of Switzerland“ entführen sie uns zu „schönsten Kletterrouten im Herzen der Schweiz“, wie das dreisprachige Buch im Untertitel heisst. Es stellt Mehrseillängen-Routen in den Graden 4c bis 6b an der Furka, der Grimsel, dem Susten und dem Nufenen vor. Die präzisen Topos und spektakuläres Bildmaterial garantieren beste Planung und viel Vorfreude. Wie wär’s also mit der Route „Zeichen der Freundschaft“ an der Teufelstalwand oder mit „Bellissima“ am Bergseeschijen?

Nives Meroi: Ich werde dich nicht warten lassen. Der Kangchendzönga, Romano und ich. Oder unser 15. Achttausender. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2016, Fr. 27.90

Claude & Yves Remy: Dreams of Switzerland. Susten/Grimsel/Furka/Nufenen. Eine Auswahl der schönsten Kletterrouten im Herzen der Alpen. SAC Verlag, Bern 2016, Fr. 39.-

The King Albert I Memorial Foundation. 100-seitiges Werk zur Stiftung, zum König Albert I. und zu allen 53 Preisträgern des Albert Mountain Award, 2016, Fr. 15.-. Erhältlich bei der alpinen Buchhandlung Piz Buch & Berg in Zürich, www.pizbube.ch.

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