Oberon

Hommage an Niklaus Wirth (wahrscheinlich weiss er nichts davon). Im Klettergebiet Bitschji im Oberwallis heisst ein freundlicher Sektor Oberon nach der strukturierten Programmiersprache von Wirth und Gutknecht.

Die Vergangenheit holt uns immer wieder ein. Die Aufwärmroute im Sektor Oberon im Bitschji heisst dBase – ausgerechnet so, wie mein allerschlechtester Kurs als Kursleiter der Informatik einst im Mai. Eigentlich wollte ich die schlimme Erfahrung verdrängen, aber da steht sie wieder vor mir als graue senkrechte Felswand, sauber angeschrieben mit Metalltäfelchen und Schwierigkeitsgrad. 5b, das ist ja wohl zu schaffen. Die Griffe fest, die Route freundlich, die Haken in plaisir-Griffweite. Daneben die zweite Aufwärmpiste, PageMaker. Auch das ein Ausflug in die Familiengeschichte: Christa hat einst auf PageMaker 1.0 auf dem Mac-Mäusekino ein ganzes Werkbuch im Format A4 gestaltet. Das waren noch Zeiten. Auch PageMaker, hier in altkristallin-versteinerter Form, ist freundlich und interessant. Dann klettern wir PopUp, PopDown, Algol …
Wo sind wir hier eigentlich? In einem Freilicht-Computermuseum?
Ein freundlicher Walliser mit umgehängtem Seil und einem aufgeweckten Enkel kommt das Wandweglein herab, er habe dem Buben einen kleinen Klettersteig zeigen wollen, den er da oben einmal eingerichtet habe. Und er gibt uns Tipps. Die Schwierigkeitsbewertung sei eher hart, die Einstiege athletisch. Vielleicht war das Mario Trapletti, der mit seinem Sohn Adrian (oder umgekehrt, der Oberwalliser Kletterführer ist da nicht so klar) das Gebiet entdeckt und eingerichtet hat.
Es ist ein Hochsommertag, das Wallis ein Backofen. Aber hier im schattigen Tal ist es kühl und still, kein Mensch ausser uns klettert. Richtige Bergsteiger sind heute an den Viertausendern unterwegs, stapfen in langen Schlangen hoch zu den Gipfeln nach einer qualvollen Nacht in einer überfüllten Hütte. Und wir vergnügen uns hier in der Stille einer fast unberührten Natur, bewundern die Blumen am Weg und hören den Vögeln zu und klettern in festem griffigem Fels, und als wir mal eine 6b+ on sight schaffen, schwillt uns der Kamm. Ach ja, die Walliser mit ihren Viertausendern. «Das Meer vor der eigenen Haustür», wie Maurice Chappaz die Gletscherwelt nannte. Wir begnügen uns mit dem Fels, den es ja auch noch gibt.
Wir wechseln den Sektor und da gehts informationstechnisch weiter: Trapletti Sohn hat Informatik studiert, vielleicht eben bei Niklaus Wirth an der ETH, dem Vater von Pascal und Modula und Oberon, dem weltbekannten Schweizer Informatikprofessor und Turing-Preisträger. Das Klettergebiet ist wirklich ein Gang durch die Geschichte und die Technik der Informatik, die Namen ohne Bezug zur Routenstruktur, sozusagen aus dem Lehrbuch abgeschrieben. Algol und Cobol und selbst Zuse kommt zu Ehren. In Oltre Finale gib es ja Ähnliches, das Gebiet Telematica.
Nun also Unix, 6b+ im Sektor Fifo (first in first out). Da schrumpft uns der Kamm und die Prophezeiung des kletternden Grossvaters fällt uns wieder ein. Harte Bewertung, athletisch, zu Glück schaut niemand zu. Aber trotzdem klettern wir noch Latex (das klingt nun eher nicht nach Informatik), und tun so, als wären wir noch jung.

Noch ein Wort zum Kletterführer Oberwallis: Als GA-Rentner schätzen wir es ganz besonders, dass zu jedem Gebiet auch die Anreise per OeV mit Marschzeit angegeben ist. Die Topos sind perfekt und selbst die seltenen Alpenblumen am Weg konnten wir mit den Fotos im Führer bestimmen. Ein vorbildliches Werk.

Ein Gedanke zu „Oberon

  1. Adrian hat die Touren wirklich waehrend seinem Informatikstudium beim Uebervater Wirth eingerichtet. Es gab da eine aktive Gruppe von Informatikern, die in ihrer Freizeit besseres zu tun hatten, als mit LateX ihre Arbeit zu schreiben.

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