Peaks of the Balkans

Noch sind die Grenzen offen, aber wer weiss. Vor wenigen Jahren herrschte auf dem Balkan noch Krieg, vor Monaten wurden Stacheldrahtzäune hochgezogen. Zeit also, den Frieden zu nutzen für eine Wanderung durch eine noch fast unberührte Landschaft.

„Bis heute ganz klar die schönste Etappe: von der Szenerie, den Wegen, der Abwechslung, dem Wetter und der Geschichte. Diese Kalkzinnen links und rechts im: Engelhörner und Dru gleichzeitig, vielleicht noch unbestiegen. Das Ropojana-Tal: jahrzehntelang Sperrgebiet zwischen Albanien und Jugoslawien. Unten der umgestürzte Grenzstein, oben die kaputten Bunker von Enver Hoxha. Ohne diese Überreste würde man den Grenzübertritt von Montenegro ins Nachbarland gar nicht merken. Oder doch? In Albanien sind die Wegmarkierungen wie in der Schweiz, weiss-rot-weiss.“

Das notierte ich am 8. Juni 2016 in mein Tourenbuch. Auf der vierten Etappe unserer achttägigen Wanderung auf dem Peaks of the Balkans Trail kamen wir aus dem Ropojana Valley über den Pejës-Pass (1707 m) nach Thethi im Shala-Valley, ins Herz des Prokletije-Gebirges. Seit 2012 führt der insgesamt 192 Kilometer lange Weitwanderweg durch die drei Länder Kosovo, Montenegro und Albanien. Er wurde geschaffen, um Grenzen zu überwinden, den Tourismus zu fördern – und um Bergbewunderern die Augen für andere europäische Gebirge und Gesellschaften zu öffnen.

Die Mischung von nah und fern, bekannt und unbekannt ist, in einmalig und überwältigend zugleich. Waren unsere Alpen auch so, bevor sie vom Tourismus fast ganz in Beschlag genommen wurden? Diese ursprüngliche Schönheit nachhaltig nutzen, das ist das Ziel des Balkan-Peace-Park-Projekts. Der Wandertourismus soll den Einheimischen in den abgelegenen Tälern der drei Länder nach dem Kosovokrieg von 1998/99 neue Perspektiven aufzeigen – und uns Fussreisenden neue Erlebnisse in einer beinahe unberührten Natur ermöglichen. Ein natur- und sozialverträglicher Tourismus soll es sein. Einer, der auf lokalen Ressourcen aufbaut. Einer, der die einst vorhandenen wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Regionen wieder in Gang setzt.

Wer möchte da nicht mitmachen? Täglich vier bis acht Stunden auf alten Wegen durch eine überraschend grossartige Natur und Kultur gehen, in Dörfern und Hütten übernachten, Slow Food der etwas andern Art geniessen. Als Währung auf dem ganzen Trekking dient der Euro, auch in Albanien, obwohl nicht zur Eurozone gehörend. Und sich verständigen tut man sich meistens in Englisch. Nur unser Bergführer und Wanderleiter, der 33jährige Enis Shehu aus Albaniens Hauptstadt Tirana, wo er in einer Boulderhalle arbeitet, bevorzugt als zweite Sprache das Italienische, weil er es von klein auf mit italienischen TV-Programmen gelernt hat. Muttersprache Albanisch hat auch unser zweiter Begleiter, Rhahim Tërnava, 39 Jahre alt, Chef des Tour-Operators Traveks aus Kosovos Hauptstadt Priština. Wie er im Juni 2016 alles organisierte, da ein Lastpferd, um unsere Rücken zu entlasten, dort ein Minibus, um uns abzuholen oder in ein besonderes Restaurant zu fahren – schlicht grandios. Und weil er am ersten Abend in Priština gemerkt hatte, dass die Schweizer Wanderer auch gern mal ein Glas Wein oder zwei trinken, trug er extra gekaufte Flaschen über den ersten Gipfel, den Hajla (2403 m).

Ein Prost also nicht nur auf diesen Gipfel und auf unsere Begleiter auf dem Peaks of the Balkans Trail, sondern auch auf den neuen, sehr gut gemachten Führer zu diesem Dreiländerrundeweg, der mit einer Fülle höchst nützlicher Infos auch abseits der Trails aufwartet.

Max Bosse, Kathrin Steinweg: Peaks of the Balkans. Albanien, Kosovo und Montenegro. Dreiländerrundweg und Tageswanderungen. Rother Wanderführer 2016, € 14.90.

www.peaksofthebalkans.com www.balkanspeacepark.org
www.traveks.com/tours/peaks-of-balkan

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