Pizza Buch

Pizza Buch, Kultroute auf der Galerie Weesen-Amden. Eine Kletterei auf biografischen Spuren, zwanzig Meter im achten Grad.

Emil nach Pizza Buch

Von der Beerdigung eines Bekannten gings ins Café und dann zum Klettern auf die Galerie, Weesen-Amden. Zwei Aufwärmrouten, dann Pizzabauch oder, wie rot auf den Fels gemalt ist, Pizza Buch, 7a. Mein Gradmesser, Kultroute, den achten Grad klettere ich ja nur noch, wenn ich jeden Griff und Tritt im Schlaf weiss. So lasse ich gelegentlich die Route vor meinem inneren Auge vorbeiziehen, wenn ich nicht einschlafen kann. Komme manchmal bis zum Schlüsselzug, schlafe schon vorher ein oder erst bei der Platte am Ausstieg, die ich vom Untergriff her anpacke. Heute klappts, ich komme hoch, nicht gerade ohne Mühe aber doch ohne Sturz, rotpunkt. Klar, ich kenne jeden Griff; die Tritte, das ist mir aufgefallen, erinnere ich weniger gut.
Thomas Kuhn hat die Route eingerichtet, könnte wohl zwanzig Jahre her sein, und jedes Mal wenn ich sie gehe, denke ich an ihn, einen stillen genialen Kletterer, der heute in Thailand lebt, verheiratet sagt man, und irgendwo im Busch oder in den Bergen Kühe züchtet. Und ich klettere seine Route und bin ihm dankbar. Auch Michi Wyser, der sie mal mit schönen Klebehaken ausgerüstet hat. So hat auch ein so kleines Stück Fels seine Geschichte. Zumindest in meinem Kopf und vielleicht auch noch in ein paar andern. Schwerer ist Pizzabauch geworden mit den Jahren, nicht leichter (von 6c+ auf 7a aufgewertet). Vor allem, seit ein Stück eines Zangengriffs, genau der Schlüsselzug, abgebrochen ist. Ich sah da schon mal einen Schweizermeister im on-sight ziemlich studieren.
Gelegentlich haben wir diskutiert, ob die der Namen der Route nun etwas mit einem Bauch zu tun habe, vom übermässigen Genuss von Pizza, oder mit einem Buch, Kochbuch für Pizza oder gar etwas Literarisches. Ein Krimi zur Pizza-Connection. Oder einfach, weil sie so bauchig überhängt. Thomas Kuhn müsste es wissen, aber der lebt nun ja ein ganz anderes Leben als Bauer im fernen Thailand, und hat seine Route wohl längst vergessen.
Zwei oder drei Jahre konnte ich Pizzabauch nicht mehr klettern, nicht nur wegen dem abgebrochenen Griff, auch wegen Krankheiten und irgendwann hat man ja auch Angst, zu scheitern oder zu fallen. Heute habe ich den Zangengriff energisch gepackt, gehalten. Ich will nicht stürzen, ich will die Route schaffen, habe ich mir zugeredet, sozusagen auf den Tag genau fünfzig Jahre nachdem ich zum ersten Mal kletterte, am Altmann im Alpstein, Schaffhauserkamin, Grad 2a. (18. Mai 1959 war es, um genau zu sein.) So ist Pizzabauch auch ein Teil meiner eigenen Biografie geworden, in der das Klettern eine der grossen und wichtigen Konstanten ist. Seit fünfzig Jahren.

Bauch oder Buch?

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