Portland

Auch in England gibt es Sportklettergebiete mit Haken. In Portland an der Südküste, dem wohl schönsten von ihnen, haben die Sanierer nebst den Haken offenbar auch politisch unkorrekte Routennamen ersetzt.

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In den Gestellen von Piz Buch und Berg stosse ich beim Schmökern auf einen Kletterführer «Portland. The Definive Guidebook.» Und blättere sogleich nach dem Topo von «Pump Hitler» an den Cliffs von «Battleship Edge». Fehlanzeige. Die Route existiert offenbar nicht mehr.
Battleship Edge, senkrechte Kalkwand hoch über dem Meer, rauer fester Fels, Möwen kreisen über unseren Köpfen im Blau. Kommen wir beim Klettern ihren Nestern zu nah, dann flattern sie aufgeregt über uns und spucken uns an. Battelship Edge ist sicher eine der schönsten Kletterwände im Süden Englands, an den Steilküsten von Portland, Dorset, westlich von Bornemouth.
London schläft noch, wenn ich die Stadt durchquere mit der U-Bahn und ein Stück durch South Kensington zu Fuss wandere, Rucksack am Rücken, zum Autovermieter. Dann brausen wir in den Süden, drei, vier Stunden. Unterwegs verspeist Alan in einer Raststätte Speck und Rührei, ich bleibe beim Kaffee mit Croissant.
Wenn wir über die Hochfläche der Fast-Insel Portland wandern, weht uns der Wind vom Atlantik ins Gesicht, und hoch in der Luft lärmen Lerchen. Dann Abstieg durch eine Schuttrinne, fast wie in den Alpen. Hier kletterten schon die Grossen des britischen Alpinismus: Albert Mummery, Edward Whymper und John Tyndall.
Und nun also wir. Nicht jetzt, sondern vor 15 Jahren. Gut drauf, aber «Pump Hitler» schaffen wir doch nicht. 7a+, eine Steilwand mit kleinen Griffen, die Abstände der Staple-Bolts beängstigend, die Schlüsselstelle knifflig und fast grifflos, so scheint uns. Einmal schaffe ich es beinahe, doch dann stoppt mich ein Stich in den Magen: dummerweise habe ich vor dem Einstieg eine Nuss verspeist. Na ja, man hat immer einen Grund, warum man es nicht schafft.
Wenn ich Alan in Boston besuche, und wir uns an jene Zeit erinnern, sagen wir: Einmal müssen wir doch nochmals hin, da haben wir noch Projekte. «Victims of Fashion», «Pump Hitler». Alan würde es heute spielend schaffen. Aber eben, «Pump Hitler» gibt es offenbar nicht mehr, die Route wurde wohl saniert, die seltsamen Staple-Bolts ersetzt durch zuverlässige Bohrhaken – nehme ich an – und da hat man wohl auch politisch korrekte Bezeichnungen eingeführt. Auch «Sink Bismark» suche ich vergebens, man wollte wohl die Erinnerungen an böse Zeiten auslöschen. Nun, Alan wird wohl ohnehin nie mehr herüberkommen bei dem schlechten Dollarkurs, und dass wir die Crux von Pump Hitler nie rotpunkt schafften, damit können wir leben.
Nur klettern möchte ich doch nochmals in Portland, den Meerwind im Gesicht spüren, den rauen Fels unter den Fingern, die Lerchen beobachten, im Sugar Loaf Café einen Kuchen geniessen nach dem Klettern – ach, vielleicht gibt es das lauschige Café ja auch nicht mehr und vielleicht ist auch das B+B, das wir «Museum of the Bad Taste» nannten, längst modernisiert. So ändert sich alles, nur das britische Bier, denke ich, schmeckt noch wie immer.

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Hier noch ein Bericht aus jener Zeit: http://www.zopfi.ch/0e/Portland.html

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