Slowenien hat sich einigermassen friedlich aus dem Zusammenbruch von Jugoslawien gerettet – Wandern die Wundertüte der Julischen Alpen darf man also mit politisch korrektem Gewissen und – wie der Beitrag zeigt – auch in Turnhosen. Man muss auch nicht Bürger des Landes sein, das die Besteigung seines höchsten Gipfels sozusagen zur nationalen Pflicht erhoben hat. Wer schon auf dem Triglav war, kommt aus dem Schwärmen nicht mehr heraus.
„Ein erster Versuch drei Wochen zuvor ‚ertrank‘ nach 600 Höhenmetern in einem Sintflut-Regen. Bei schönem und warmem Wetter (Turnhosen) am Morgen von Aljažev dom (1015 m) über den Tominškova pot und knapp am Triglavski dom vorbei zur Eisenleiter des Triglav E-Grates; über diesen zum Gipfel.“
Lang ist’s her, dass Hans Stricker und ich beim Türmchen aus Blech zuoberst auf dem Triglav (2864 m) standen. Das Gipfelbild vom 16. Juli 1982 zeigt zwei braungebrannte Wanderer in Turnhosen (aber nicht in Turnschuhen). Ins Tourenbuch notierte ich zur Aufstiegszeit (3h55‘) auch diejenige für die 800 km zurück nach Bern (12h30‘). Und fügte noch ein PS an: „Der höchste Berg Jugoslawiens!“. Ja, lang ist’s her.
Nun halte ein druckfrisches Buch über diesen Gipfel, sein Land und sein Gebirge in den Händen, und am liebsten würde ich gleich zurückfahren, wieder auf den Triglav, den heiligen Berg Sloweniens, steigen, durch seinen Nationalpark stiefeln, die Julischen Alpen wirklich kennenlernen, bis in die hintersten und spannendsten Winkel. Dagmar Kopše und Bernhard Herold heissen die Verursacher für die Sehnsucht nach diesen fernen Bergen, „Quer durch die Julischen Alpen. Vom Triglav-Nationalpark Sloweniens in die Voralpen des Friauls“ heisst ihr Wanderbuch, erschienen in der Naturpunkt-Reihe des Zürcher Rotpunktverlages. Darin stellen die beiden in Burgdorf lebenden Autoren und Fotografen 22 ein- bis siebentägige Wanderungen vor allem in Slowenien, aber auch in Italien vor, natürlich mit allen nötigen wandertouristischen Infos über Anreise bis Unterkunft. Dazu tischt das Wanderduo zahlreiche Hintergrundgeschichten auf, die das Buch triglavhoch über normale Wanderführer hinausheben. Geschichten übrigens, die sich auch bestens lesen, wenn wir nur über den Julier in die Ferien fahren und vielleicht noch weiter nach Resia im Val Müstair, und nicht ins Resiatal, wo Resianisch gesprochen wird. Kommentar von Kopše & Herold: „Ein derart sonderbares Bergtal ist uns selten begegnet. Eine ethnographische Wundertüte.“
Eine solche Wundertüte sind für viele die Julischen Alpen. Ihr Erschliesser ist Dr. Julius Kugy (1858-1944), Kolonialwaren-Grosshändler, Jurist, Bergsteiger und Schriftsteller: „Nichts kommt in meinem Herzen den Julischen Alpen gleich“, schrieb er. Bevor nun jedoch der Einwand kommt, dass ein Mürrener das Berner Oberland ebenfalls als das höchste der Gefühle bezeichnet: Kugy gab ein zweibändiges Werk über den höchsten Gipfel der Schweiz heraus. Apropos alpine Kleinstaaten: Der Nationalpark Triglav ist fünfmal grösser als der Schweizerische Nationalpark und macht 4 Prozent der Landesfläche von Slowenien aus, nicht 0,4 wie in Helvetien.
Muss eine Schweizerin oder ein Schweizer, um als solche(r) zu gelten, einmal im Leben die Dufourspitze erreicht haben? Nicht wirklich. Einmal das Matterhorn aus der Nähe (oder gar der Ferne) gesehen zu haben, reicht. Oder wenigstens die Jungfrau. Richtige Slowenen hingegen müssen einmal im Leben das Türmchen aus Blech berühren. Nicht von ungefähr ziert der Triglav das Staatswappen und ist auf der 50-Eurocent-Münze abgebildet, inklusive des Liedtitels „Oj, Triglav, moj dom“ (Oh Triglav, mein Zuhause).
Unser Zuhause ist nun erst mal das Alpine Museum in Bern. Am Donnerstag, 22. Mai um 18.30 Uhr, stellen Dagmar Kopše und Bernhard Herold ihr Wunderwanderwerk in Wort und Bild vor. Die Slowenische Botschaft doppelt mit Infos, Speis und Trank kräftig nach. Der Eintritt ist frei. „Die Triglav-Region gehört zum Schönsten, was ich wandernd schon angetroffen habe. Zum Kennenlernen also genau die richtige Gelegenheit. Wenn‘s nicht gewittert, werden wir den Apéro im alps-Garten stattfinden lassen“, schreibt Museumsdirektor Beat Hächler in einem Mail an seine Wanderfreunde. Also, nichts wie hin! Zuerst an den Helvetiaplatz, und im Sommer dann auf den höchsten Gipfel der Julischen Alpen.
Bernhard Herold, Dagmar Kopše: Quer durch die Julischen Alpen. Vom Triglav-Nationalpark Sloweniens in die Voralpen des Friauls. Rotpunktverlag, Zürich 2014, Fr. 38.-, www.rotpunktverlag.ch.