Drei neue Wanderführer für den Nordrand der Schweiz im Süden des Rheins.
«Der edel gravierte, ausklappbare Panoramatisch auf der Gisliflue klärt uns akribisch über die umfassende Aussicht im Süden auf, jenseits von Aaretal und Autobahnen. Hohe Berge, berühmte, selbst Viertausender sind liebevoll vermerkt. Was man da alles bewundern könnte!»
Dummerweise verschanzten sich die hohen Gipfel hinter einem dichten Schleier, als Marco Volken auf dem Juraberg fast am Stadtrand von Aargau stand. Deshalb lenkte er seinen Blick nach Norden auf „eine naturnahe Kulturlandschaft, ein reizvolles, kleinräumiges Muster aus Wäldern, Äckern, Wiesen und Flugwegen“. Die Gisliflue (772 m), so lesen wir im Wanderführer „Raus aus Zürich. 25 Streifzüge durch die Natur“, trennt zwei Welten: „im Süden ein rasantes Mittelland, das sich entlang der wichtigsten Autobahn der Schweiz hinzieht, im Norden ein weitgehend unversehrtes Hinterland.“
Raus aus Zürich also! Von der panoramareichen Fluh auf die aussichtslose Hohenegg im Zürcher Oberland, vom tosenden Rheinfall bei Schaffhausen zur sumpfigen Schwantenau unweit von Einsiedeln: Rund um die grösste Stadt der Schweiz gibt es viel zu erwandern und zu erleben, sehr viel. Für Klein und Gross, für Flachgeher und Treppensteiger, zu jeder Jahreszeit. Marco Volken kennt sich in seinen heimatlichen Gefilden bestens aus; er ist Mitverfasser der Führer „Zürcher Hausberge“ und „Wandern in der Stadt Zürich“. In seinem jüngsten Werk stellt er mit allen nötigen (wander)touristischen Infos (inkl. Zugang zu digitalen Wanderkarten und GPS-Daten) 25 Streifzüge vor, wobei am Uetliberg acht Wege beschrieben sind, rund um Bauma drei Tobeltouren und am Rhein zwei Uferwege. Es gibt also einiges zu tun, nicht nur für StadtzürcherInnen. Zudem kann das Buch auch angeschaut und gelesen werden; die Geschichten und Interviews gehen weit über die schweizerische Metropole hinaus. Wer jeden Monat einen Ausflug unternimmt, wird mit „Raus aus Zürich“ zwei schöne Jahre füllen können.
Oder wollen wir im Norden von Zürich zehn Tag lang wandern, flachwandern? Obwohl der Weitwanderweg nicht ganz flach ist, wie Start und Ziel dies eigentlich vermuten liessen: Kreuzlingen (403 m) und Basel (253 m). Dazwischen 190 Kilometer, 10 Etappen und rund je 3000 Höhenmeter Auf- und Abstieg. Mehr noch, viel mehr: ehrwürdige Orte, besondere Brücken, urige Auenlandschaften, überraschende Stauseen, köstliche Restaurants, feine Bleiben für eine Nacht, erfrischende Bäder – und der mächtigste Wasserfall Europas, der Rheinfall. Das ist die ViaRhenana, einer der zwölf historischen Verkehrswege der Schweiz. Ein Fussweg – die nationale Veloroute 2 folgt dem gleichen Strom – voller Geschichte(n), Sehenswürdigkeiten und Abwechslungen. Und nun dank des mit 140 Abbildungen illustrierten Buches „ViaRhenana. Wasserweg mit Salzgeschmack“ von Daniel Stotz auch für diejenigen erlebbar, die lieber nur lesen statt wandern. Oder lieber radeln. Vielleicht gar paddeln. Wie auch immer: Selbst ein überzeugter Aare-Berner muss mit Stotzens „ViaRhenana“ zugeben, dass der Rhein unbedingt ebenfalls eine Reise wert ist.
In Basel wurde die erste Sektion des Schweizer Alpen-Clubs gegründet, am 17. April 1863, zwei Tage vor der Gründung des nationalen SAC in Olten. Die fünfte Sektion war diejenige von Aarau, zu Beginn des Sommers 1863 von vier Bergsteigern ins Leben gerufen; ihr ursprünglicher Name lautete Jura. Denn der Aargau ist ja auch Jura, nur vergisst man das zuweilen. Mehr noch: Der Aargauer Jura ist seit 2012 gar ein Regionaler Naturpark, schön gelegen zwischen Aare, Rhein und Basel-Land. Eine Landschaft wie gemacht zum Wandern und Radeln. Thomas Bachmann, Hausautor des Rotpunktverlages wie sein Bruder Philipp, beschreibt in „Jurapark Aargau. Unterwegs im Naherholungsgebiet zwischen Aare und Rhein“ mit allen Hintergründen, touristischen Infos und feinen Fotos vierzehn Wanderungen in dieser zu Unrecht kaum bekannten Ecke der Schweiz. Dazu kommen drei Tagesausflüge mit Kindern sowie drei Vorschläge, den Jurapark Aargau und seine Umgebung mit dem Velo zu entdecken. Die Höhenunterschiede halten sich in Grenzen, die Weitsicht reicht trotzdem zum Alpenkranz und Schwarzwald, wenn die Wetterbedingungen mitmachen, wir wissen es. Die achte Tour führt von Zeihen an der Bözberglinie zur Ruine Schenkenberg auf dem gleichnamigen Berg (630 m) – eine imposante Burganlage, an der der Zahn des Zeit unablässig werkelt – und weiter auf die Gisliflue, dann hinab nach Biberstein an der Aare.
Am 16. Juni 2005 startete ich in Aarau selbst, um über die Hombergegg zur Gisliflue und weiter nach Wildegg zu joggen; Trailrunning nennt man das heute. An eine Aussicht kann ich mich nicht erinnern. Ich machte oben auf der Nagelfluh nur zwei Fotos: eine vom Wegweiser und Triangulationssignal, die andere von mir selbst, mit nasser Stirn und zusammengekniffenen Augen. Vielleicht sollte ich mal im Herbst bei guter Fernsicht und ohne Eile die Fluh der Gisela besuchen.
Marco Volken: Raus aus Zürich. 25 Streifzüge durch die Natur. AT Verlag, Aarau 2022. Fr. 29.90.
Daniel Stotz: ViaRhenana. Wasserweg mit Salzgeschmack. Weber Verlag, Thun/Gwatt 2022. Fr. 39.-
Thomas Bachmann: Jurapark Aargau. Unterwegs im Naherholungsgebiet zwischen Aare und Rhein. Rotpunktverlag, Zürich 2022. Fr. 39.-