Gestern gings wieder mal ins abgeschiedene, stotzige Val d’Iragna auf Entdeckungsreise. Verschwundene Wege, verlassene Alpen. Kein Mensch weit und breit, den ganzen Tag lang. Ein weitgehend vergessenes Tal. Doch für einmal soll nicht von einem wilden Tal die Rede sein, sondern von der Gemeinde an dessen Fuss: von Iragna, im oberen Teil der Riviera, unweit Biasca. Oder genauer: von dessen Gemeindehaus, dem Municipio, an dem ich zufällig und ahnungslos vorbeigekommen bin. Neugier und Faszination haben mich veranlasst, das Gebäude von allen Seiten zu betrachten. Eine Frage hat sich aufgedrängt: Wie kann man heute baulich auf eine Umgebung reagieren, die aus lauter wuchtigen, kantigen Bergen aus Tessiner Gneis besteht? Architekt Raffaele Cavadini hat eine bestechende Antwort gefunden: Mit einem wuchtigen, kantigen Gebäude aus Tessiner Gneis. Genau so, wie die Natur das Val d’Iragna geformt hat (und wie später die Älpler ihre Ställe hoch oben im Tal errichtet haben). Schlicht meisterhaft. Iragna, 11. Mai 2013.