Der Mürtschen ist unser Kailash, immer mal wieder wandern wir rundum. Ob’s zur Erleuchtung reicht, ist nicht sicher. Bestimmt aber zur Erbauung und Ermüdung.
«Nach der 13. Umrundung des Kailash bekommt der Pilger Zutritt zur inneren Kora. Vorgebliches Ziel jedes Buddhisten sei es, den Kailash 108-mal zu umrunden. Wer dies schafft, der erlangt nach buddhistischer Lehre die unmittelbare Erleuchtung.» (Wikipedia.)
Wir sind keine Buddhisten und glauben an keine Heiligen, doch der Berg, an dessen Fuss wir 21 Jahre lang lebten (also heilige 3 mal 7 Jahre), ist und doch so etwas wie heilig geworden. Mindestens einmal im Jahr hinauf und einmal rundum, damals. Heute mit einem Freund aus Kolumbien, der gut zu Fuss ist. Seine tägliche Trainingsstrecke im 2640 Meter hohen Bogotà beträgt 400 Höhenmeter.
Durch Obstalden und rasch an unserem ehemaligen Haus vorbei, ein Blick in den Garten, der gepflegt erscheint und für Kinder mit allerhand Spielgerät ausgestattet, aber verlassen wie der Rest des Dorfes. Sonntagmorgen, schon wird es heiss. Der Aufstieg zum Glück zum Teil durch Wald, fällt auch leicht durch Gespräche, Erinnerungen. Lange Geschichten verbinden uns.
Im Beizli auf dem Hüttenberg meldet sich auch niemand auf unser Rufen, gern hätten wir Steffi begrüsst. Die Wähe steht bereit und duftet, eine Tafel verkündet, das Beizli sei offen ab irgendwann bis 18 Uhr. Vielleicht ist sie am Heuen in den Hängen oben, wo eine Mähmaschine rattert und wir einst unsere Schwünge in den Pulverschnee zogen.
Kleiner historischer Exkurs auf der Meerenalp für Damen aus Konstanz, deren Führer auch nicht weiss, dass hier Internierte Dienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg rodeten und Kartoffeln pflanzten. Staunend betrachten sie die eingemeisselte Inschrift auf einem Felszacken, wundern sich auch über den Fehler in der Rechtschreibung: Alprhodung.
Statt der Geschichte widmen wir uns dann der Botanik. Wie unterscheidet man Germer und gelben Enzian? Sie blühen noch nicht, dafür viel Knabenkraut und blauer Enzian und viel Weiteres, Buntes rund um den Robmen. Wie unterscheiden sich Arven und Föhren? Das ist später, gegen Obermürtschen, die Frage. Zur Mürtschenfurggel hin, dem höchsten Punkt der Wanderung, interessieren uns Gesteine. Kalk, Karst, Urgestein, Verrucano.
Die Wanderung rund um den Mürtschen ist ein Gang durch Naturwunder, eine Anbetung der Schöpfung in ihrem eigenen Namen, ohne Priester oder Heilige. Die Erleuchtung ist das Erlebnis selbst.
Nun also bergab, die Knie spüren es, doch die Stöcke bleiben im Rucksack. Wir schaffen das noch immer. Wir bewundern eine vielfarbige Viehherde, schwarz, braun, weiss, gross und klein, bunt gemischt, ein Symbol friedlicher Koexistenz. Unser freund filmt und freut sich am klingenden Konzert der Kuhglocken. Wenn den Auslandschweizer in Bogotà das Heimweh übermannt, wird er zum Smarthphone greifen und dem Glockengeläut der friedlichen Schweizer Kühe lauschen.
Kurze Rast im Beizli am Talsee, wo wir auch Susanne noch begrüssen können, die Mutter der Wirtin. Die mir auch noch das Du anbietet, eine Ehre für den Zu- und wieder Wegzüger. Der nun wieder wegzieht, mit dem Bus nach Näfels hinab, wo es im Kiosk feine einheimische Glacé gibt.