Ein gewichtiger Führer für Bergsteiger und Wanderer, die das Wallis lieben. Mit kulturellen Häppchen und Beiträgen angereichert über Walser, Geologie und berühmte Alpinisten – dafür ohne eine Reihe von alten und gefährlich gewordenen Anstiegen, etwa in der Ostwand des Monte Rosa.
„Der rechte Alpinismus ist keine halsbrecherische Sache, sondern im Gegenteil ausschliesslich eine Frage von Klugheit und ein wenig Mut, von Kraft und Ausdauer und Gefühl für die verborgenen Schönheiten der Natur – einer Natur, die manchmal gewaltig, aber dann um so erhabener und eindrucksvoller für den Beschauer ist.“
Die Schweizer nennen ihn Grenzsattel, die Italiener Colle Zumstein. Mit 4453 m ist er der zweithöchste Pass der Alpen: Höher, und zwar um 62 m, ist nur der Silbersattel zwischen Dufourspitze und Nordend, den beiden höchsten Zacken des Monte Rosa (und der Schweiz). Aber kaum jemand erreicht den Colle Zumstein über seine Flanken, von Macugnaga oder Zermatt her. Sein messerscharfer, oft vereister Grat wird hingegen von all jenen begangen, welche von der Zumstein- zur Dufourspitze queren. In Macugnaga und Alagna bezeichnet man den Pass seit 1922 aber auch mit einem dritten Namen: Colle del Papa. Weil Achille Ratti, in jenem Jahr zum Papst Pius XI. ernannt, anno 1889 zur ersten Seilschaft gehörte, die ihn überschritt. Diese populäre Bezeichnung ist auf jeden Fall weniger banal als Grenzsattel (wie viele davon gibt es wohl?) oder Colle Zumstein, eine Wiederholung des knapp darüber liegenden Gipfelnamens.
Achille Ratti hat die Tour (und neue Route) durch die Ostwand des Monte Rosa, die höchste Wand der Alpen, sehr anschaulich beschrieben; auf Deutsch erschien der Bericht 1925 in seinem Buch „Alpine Schriften“. Daraus stammt das Zitat, das im neuen „Alpinführer Walliser Alpen 4/5. Vom Theodulpass zum Simplon“ des Schweizer Alpen-Clubs als sozusagen kulturelles Häppchen den Eintrag „Grenzsattel/Colle Zumstein“ schmückt. Passend an dieser Stelle; bei andern solchen Einschüben, Sprüchen und Merksätzen, wie von Churchill oder Napoleon, darf man sich schon fragen.
Der Führer von Bernhard Rudolf Banzhaf, Hermann Biner und Beat Burgener ist ja ohnehin genug dick, obwohl er viele kaum oder nicht mehr begangene, weil zum Beispiel zu gefährlich gewordene Routen weggelassen hat. Wie jene von Achille Ratti und Gefährten über den Colle del Papa. 649 Seiten stark ist der Führer aber immer noch geworden, weil er die Clubführer Walliser Alpen 4 (Theodulpass bis Monte Moro) und 5 (Strahlhorn bis Simplon) in einem Band zusammenfasst. Weil er nicht nur Hochtouren beschreibt, sondern auch Wanderungen, wie die Tour Monte Rosa, die 10 tägige Rundwanderung um die Königin der Alpen (der König ist ja der Mont Blanc; um ihn kann man auch herumstiefeln). Der neue Walliser Alpinführer des SAC bring ausser den Kurzitaten kulturelle Beiträge zu den Walsern und ihrer Sprache oder zum Goldrausch in Gondo, Biografien zu berühmten Alpinisten wie Matthias Zurbriggen (auch er ist am Monte Rosa mit einem Colle verewigt). Zudem steuerte Jürg Meyer einen Beitrag zur Geologie bei, der auch für Nichtgeologen verständlich ist.
Natürlich ist es schade, wenn die grossen Routen von früher nicht mehr alle aufgeführt sind; wer sich dafür und so für die Geschichte des Alpinismus interessiert, muss die alten Führer studieren. Von den 30 Routen in der 2400 m hohen und ebenso breiten Ostwand des Monte Rosa sind noch die zwei erstmals eröffneten beschrieben: das Canalone Marinelli auf die Dufourspitze (1872) und die Via Brioschi aufs Nordend (1876), beide Anstieg das Werk von Ferdinand Imseng. Allerdings verläuft auf der Routenfoto die Via Brioschi dort, wo noch nie jemand hochgestiegen ist. Wer diesem Strich nachklettert, braucht nicht nur Mut, Kraft und Ausdauer, sondern vor allem Schutzengel.
Bernhard Rudolf Banzhaf, Hermann Biner und Beat Burgener: Alpinführer Walliser Alpen 4/5. Vom Theodulpass zum Simplon. SAC Verlag, Bern 2009, Fr. 54.-