Schaffhausen

Ein eigentliches Coming-out ist diese Rezension, gesteht doch unser Rezensent und Profiberner, dass er in Schaffhausen zur Welt kam. Am Geissbärg, was immerhin ein bisschen Berndeutsch klingt, habe er seine ersten Schritte gewagt. Noch viel mehr Schritte in der Gegend machen kann, wer sich am neuen Wanderführer der Region abarbeitet – sicher kein grosses Wagnis, aber sicher beschaulich und gesund. Für jene, denen es zu wenig steil ist, steht auch da und dort ein Aussichtsturm an der Route – mit Blick auf die Alpen.

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„Wir stiegen bey einem Dorf, Neuhausen genannt, aus, und näherten uns dem Ort, wo eine allmächtige Hand einen ganzen Fluβ ergreift und aus seinem Bette in ein anderes hinabschleudert. Dieser Gedanke machte mich schaudern, und nun kamen wir unten bey einer Dratfabrike an, wo der eine Fels den Wellen Trotz bietet und ihre verspottete Wuth ganz gegen den Ort schickt, wo wir standen. Mit unbegreiflichem Entzücken stand ich sicher und unbesorgt dicht neben dem ganzen Toben des fürchterlichsten Elements, das, allmählich in sein ihm vorgeschriebenes Bett gezwungen, uns unverletzt lassen muβte.”

Anna Helene Krook war nicht die Erste und auch nicht die Letzte, die sich vom Rheinfall bei Schaffhausen beeindruckt zeigte – und dies in wohlformulierte Sätze zu formulieren wusste, wie dieser Ausschnitt aus ihrem Buch „Briefe einer reisenden Dame aus der Schweitz 1786“ beweist. Der mächtigste Wasserfall in Kontinentaleuropa ist seit langer Zeit eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Schweiz. Über eine Breite von 150 Metern und eine Höhe von 23 Metern stürzen bei mittlerer Wasserführung des Rheins 700 Kubikmeter Wasser pro Sekunde über die Felsen. Von verschiedenen, aber immer gut gesicherten Stellen aus kann man die ganze Wucht der Wassermassen auf sich wirken lassen. Höhepunkt eines Rheinfallausflugs ist sicher die Fahrt mit dem Fährbot zum mittleren Felsen, der bestiegen werden kann. Dann steht man mitten im Fall und hofft, dass der Fels hält. Er tut dies freilich seit rund 14’000 Jahren. Aber erst seit dieser Woche gibt es im Münchner Rother Verlag, dessen Wanderführer fast die ganze Welt erfassen, von den Abruzzen über das Emmental, Menorca und Tasmanien bis Zypern, einen solchen für Schaffhausen und Umgebung.

Laura Aguilar und Ueli Redmann beschreiben in ihrem roten Buch 60 Wanderungen, von kürzern Klassikern wie der Rheinfallrundtour bis zu weiten Gängen über den Randen und hinaus zu den Vulkanen im deutschen Hegau. Die meisten, natürlich immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchführbaren Touren dauern rund drei Stunden reine Gehzeit. Da bleibt also genügend Zeit und Raum, um das Schauspiel des Rheinfalls erschaudernd zu geniessen. Um in den dünnbesiedelten, waldreichen Gebieten nördlich der Stadt Schaffhausen und des Rheins eine überraschend vielfältige Flora zu bewundern. Um von vielen Aussichtstürmen aus den Alpenbogen zu sehen. Um eine helvetische Region zu entdecken, deren Namen ich dank dieses Führers überhaupt zum ersten Mal las: der Reiat; so wird das Hügelland im Osten des Kantons Schaffhausen bezeichnet. Um schliesslich in gemütlichen Dorfbeizen mit lokalem Wein auf das wanderwunderbare Schaffhauserland anzustossen. Und das zu jeder Jahreszeit.

Zum Beispiel auf den Geissbärg (524 m) am nördlichen Stadtrand von Schaffhausen. Auf dem Südfuss dieses bewaldeten Hügels liegt das Kantonsspital, wo ich am 17. September 1954 auf die Welt kam. Wir wohnten an der Jägerstrasse 2 auf der Ostseite des Geissbärg. An diesem Berg habe ich also meine allerersten Schritte gewagt. Zugegeben, ein bescheidenes Wanderziel. Aber einmal musste ich ja anfangen.

Laura Aguilar, Ueli Redmann: Schaffhausen. Hochrhein – Klettgau – Randen – Reiat – Hegau. Rother Wanderführer, München 2016, Fr. 19.90.

Buchvernissage am Freitag, 25. November 2016, um 19 Uhr bei Schaffhauserland Tourismus am Herrenacker 15 in Schaffhausen (5 Min. zu Fuss vom Bahnhof).

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