Schicksal am Piz Orsalia

Küsse wie Steinschlag! Dieser historische Bergkrimi ist einfach alles: Flüchtlings-, Kriegs-, Partisanen-, Schmuggler-, Ski- und Liebesroman. Aus der literarischen Gletscherspalte gehoben vom Berner Krimi-Urgestein Paul Ott. Mordsgut also gewiss.

Cover Schicksal am Piz Orsalia

„Ich gehe jetzt unter dem Wandfluhhorn, Pizzo Biela heisst‘s italienisch – den Grat entlang bis zum Pizzo Orsalia und steige über die Alp Wolfsstaffel ab. Du gehst unter der Marchenspitze zur Gurinerfurka und zum Krameggpass –  deine Karte hast du doch mit? Gut! Dann steigst du über die Grossalp ab. Spätestens Schlag Zwölf sind wir beide im Kantonnement. Verstanden?“

Jawohl, Korporal Renker! Wir werden dort sein. Aber nicht in der Militärbaracke in Bosco/Gurin, dem einzigen von alters her deutschsprachigen Tessiner Dorf zuhinterst in einem Seitenast der Vallemaggia. Sondern im Hodlersaal im Alpinen Museum der Schweiz in Bern, pünktlich zur Buchvernissage Ihres wieder aufgelegten Romans „Schicksal am Piz Orsalia“ am 21. April 2016, fast pünktlich zum Unesco-Welttag des Buches zwei Tage später. Wir werden den Weg bestimmt finden, so wie Grenzwacht-Korporal Oswald Jenzer und sein Untergebener Peider Capun am Ende des Zweiten Weltkrieges die mehr oder weniger geheimen Wege an der Grenze zu Italien auch gefunden haben. Die Schmuggler sowieso.

In Kärnten aufgewachsen, verfasste der Schweizer Schriftsteller Gustav Renker (1889-1967) rund 100 Romane und zahlreiche Erzählungen, insbesondere aus der Welt der Berge und der Musik. Sein Werk über Bosco/Gurin erschien 1946, wurde gar noch ins Französische übersetzt, war aber nicht greifbar ausser in ein paar Bibliotheken. Nun erscheint der Bergroman in der Edition Mordstage, die sich der Wiederveröffentlichung verschollener Schweizer Kriminalromane widmet. Denn „Schicksal am Piz Orsalia“ ist nicht nur Flüchtlings-, Kriegs-, Partisanen-, Schmuggler- und Skiroman, sondern auch ein Krimi. Und ein Liebesroman, wo kämen wir sonst hin?

„Jenzer stiess die Türe auf – im Halbdunkel erhob sich von der Bank neben dem offenen Herd Frau Medeia von Gunten. Sie ging dem Eintretenden entgegen mit ruhigen, feierlichen Schritten wie eine Priesterin zum Opfergang.“ Und jetzt? Wir machen einen Schritt. „Er riss sie an sich und küsste sie wild auf die Lippen, Wangen, Stirne – seine Küsse prasselten wie Steinschlag auf ihr Gesicht.“

„Wer ist die geheimnisvolle Frau, die jedes Jahr einmal mit Oswald Jenzer in einer einsamen Berghütte eine Nacht verbringt?“ So fragte der alte Klappentext von „Schicksal am Piz Orsalia“. Die Leser erfahren die Antwort bei der Herli-Hütte ob Bosco/Gurin: Medeia Alphaios, von Geburt Griechin, verheiratet mit dem bürgerlichen, frommen und sehr langweiligen Berner Kaufmann Bendicht von Gunten, hatte Oswald Jenzer, damals noch Student der Architektur, zufällig auf einer Griechenlandreise kennengelernt. Aus gemeinsamem Interesse für die Antike wurde mehr. Oswald gab das Studium auf, brauchte aber auf seine Griechin nicht ganz zu verzichten. Wo er als Grenzwächter auch Dienst tat, einmal im Jahr trafen sich die beiden in einer Hütte in den Bergen. Wir lassen sie dort liegen und lesen weiter, auf dem neuen Buchrücken.

„Auf einem einsamen Gang trifft Peider Capun zwei weitere Protagonisten: den Schmuggler Silvio Casari und einen Käfersammler namens Paul Aebi. Als Kellnerin im ‚Edelweiss‘ ist Enrica angestellt, die Schwester von Silvio Casari,“ heisst es da. Dieser Käfersammler wird erschossen – was wäre ein Krimi ohne einen Toten? Er wird nicht der einzige bleiben. Die Ereignisse an der Grenze oben spitzen sich zu, aus den Schmugglern werden Fluchthelfer. „Als die SS auf jüdische Flüchtlinge schiesst, müssen die Menschen Stellung beziehen. Die Fragen nach Krieg, Flucht und dem Schicksal des Einzelnen in schweren Zeiten werden für die Schweiz in dringlicher Art gestellt. Sie sind heute wieder gültig und geben diesem Roman von Gustav Renker eine bedrückende Aktualität.“

Gustav Renker: Schicksal am Piz Orsalia. Mit der Erstveröffentlichung von autobiografischen Aufzeichnungen, dem Nachwort von Paul Ott und einer Bibliographie Gustav Renkers. Edition Mordstage, Bern 2016, Fr. 19.90.

Buchvernissage am Donnerstag, 21. April 2016, um 19 Uhr im Alpinen Museum Bern. Mit kurzer Lesung aus „Piz Orsalia“ durch Paul Ott, biographischen Ausführungen durch Beatrice Renker (Enkelin von Gustav), Präsentation der „Edition Mordstage“ durch Kurt Stadelmann und Musik vom Walliser Drummer Jonas Imfeld. Anschliessend Apéro im „Las Alps“.

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