Die Schweizer Landschaft ist schön. Über und unter dem Wasser. Drei neue Bildbände beweisen es wieder einmal.
«Dass man runterfallen könnte, daran denke ich nicht. Das gefährlichste am Wildheuten ist, auf dürrem Heu zu stehen: Das ist so rutschig wie Schmierseife. Da fährt man runter wie auf dem Bob.»
Sagt der Wildheuer Toni Herger im Bildband „Die schönsten Landschaften der Schweiz“. Ist natürlich nicht schön, wenn man abstürzen könnte. Doch die Landschaft in der Schweiz ist nun nicht immer flach. Wo sie es ist, gehört sie eher selten zu den schönsten, auch nicht unbedingt zu denjenigen, welche die Stiftung Landschaftschutz Schweiz (SL) alljährlich auszeichnet. Seit 2011 ging die Auszeichnung „Landschaft des Jahres“ an folgende Gegenden:
2011: Val Sinestra GR
2012: Birspark BL/SO
2013: Campagne genevoise GE
2014: Valle di Muggio TI
2015: Innerrhoder Streusiedlung AI
2016: Isenthaler Wildheulandschaft UR (da haben wir ihn, den Toni!)
2017: Energieinfrastrukturlandschaft (welch ein Wort – gleich beim ersten Lesen begriffen?) am Aare-Hagneck-Kanal BE
2018: Paysage sacré – Les abbayes et monastère du bassin de la Sarine FR
2019: Die Moorwälder der Ibergeregg SZ
2020: Die Hangbewässerungslandschaft der Oberwalliser Sonnenberge VS.
Nun hat Raimund Rodewald, SL-Geschäftsleiter seit 1992, einen Bildband veröffentlicht, der die zehn ausgezeichneten Landschaften in Wort und Bild ausführlich und schön präsentiert vorstellt. Nur etwas fehlt auf den 184 Seiten: Bildlegenden! Beim Hagneck-Aare-Kanal mit dem neuen Kraftwerk mag das ja noch knapp angehen. Bei der Sakrallandschaft der Abteien und Klöster im Saane-Becken allerdings nicht. Da würde man schon gerne wissen, welches Kreuz und welche Kapelle da abgebildet sind – man könnte ja in Versuchung kommen, diese schönste Landschaft einmal zu besuchen.
Bleiben wir noch grad in der Romandie. Die Freiburger Fotografen Michel Roggo und Etienne Francey haben den Lac de Morat und den Lac de Neuchâtel erkundet, der erste unter Wasser, der zweite darüber. Das Werk heisst „3 Seen – 3 Lacs“, weil die Region ja als Drei-Seen-Land bekannt ist. Der Bielersee kommt allerdings kaum vor in diesem ausgezeichneten Fotoband. Ça ne fait rien, weil es ohnehin genug zu sehen gibt. Vor allem unter Wasser – Michel Roggo gehört ja zu den besten Unterwasserfotografen. Er fängt seine Landschaften wunderbar ein, all diese Pflanzen und Tiere; und gleichzeitig ist man froh, dass man sich das in der trockenen Stube ansehen darf, ohne vom Hecht beäugt oder vom Wels betastet zu werden. Die Fotos von Etienne Francey ihrerseits bestechen durch erfrischende Details und Farbigkeit. Leicht gruusig freilich dasjenige mit der Silbermöve, die eine Wasserratte verschlingt.
Bleiben wir doch grad beim Essen und am Wasser. Und besuchen Piora, dieses Seitental der oberen Leventina mit seinen Alpen und seinem berühmten Käse, seinem Dutzend Bergseen und seinem Stausee, dem Lago Ritóm, zu dem eine der steilsten Standseilbahn hinauffährt. „Piora“ ist der Titel eines grossformatigen, 300 Seiten starken Buches, das sich der Geschichte und Gegenwart diesen besonderen Alpentales widmet. Wer nicht seitenlange Abhandlungen lesen will bzw. kann, erfeut sich umso mehr an den Fotos von einst und jetzt. Ruderpartien auf dem Lago Ritóm, Kühe und Käsefabrikation, die Porträts der Älplerinnen und Älpler, die Capanna Cadagno, die Gipfelwelt zwischen Föisc und Pizzo dell’Uomo, die Seenlandschaft. Ausklappbar ist eine Luftaufnahme von Piora sowie das Panorama vom Camoghè, das Ernst Buss am 28. Juli 1904 gezeichnet hat. Ein Kapitel stellt kurz den Winter auf Piora vor. Ein Prospekt der Skigruppe des Tessiner Arbeiter-Alpenvereins (UTOE) für Skikurse in Cadagno vom Winter 1936/37 nannte die Hänge in der Val Piora „il più bei campi sciabili del Ticino“.
Raimund Rodewald: Die schönsten Landschaften der Schweiz. Werd & Weber Verlag, Thun 2019, Fr. 49.-
Michel Roggo, Etienne Francey: 3 Seen – 3 Lacs. Werd & Weber Verlag, Thun 2019, Fr. 39.-
Fabrizio Viscontini et al: Piora. Un alpe, una valle, una storia. Salvioni Edizioni, Bellinzona 2019, Fr. 45.-
Ein Bildband ohne Bildlegenden ist verschenkt. Wird zum Blätterbuch, das man bald weglegt. Schade für den Aufwand, die Arbeit, die Kosten. Ich kenne auch andere Beispiele und verstehe nicht, dass ein Verlag das so produziert. Der Aufwand wäre gering, der Schaden ist gross.
Emil Zopfi