„Wir erreichen den Westgipfel (5642 m), den höheren der beiden Gipfelkalotten des Elbrus, zehn Stunden, nachdem wir das Fass-Lager verlassen haben. Wir stehen alleine am Gipfel und genießen das unglaublich schöne Panorama. Der Vulkan liegt ein paar Kilometer abgetrennt von der Hauptkette des Kaukasus, und aufgrund seiner abgelegenen Position gegen die nordrussische Steppe hin hat man einen einzigartigen Blick auf die Berge zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer. Alexej umarmt mich und zeigt auf den Horizont im Westen: «Siehst du dort ganz hinten? Die schwarze Linie, die sich ein wenig im Dunst verliert? Das ist das Schwarze Meer, unser Ziel!»
Das erste Mal kann ich mit einem Blick die Länge unseres irrwitzigen Abenteuers abmessen. Das Ziel liegt noch weit in der Ferne, aber wenn ich mich umdrehe, sehe ich ebenfalls eine endlose Anzahl von Bergen. Die, die wir alle schon überquert haben.“
Tatsächlich: Was für ein verrücktes und gefährliches Abenteuer, das der Tessiner Journalist, Filmemacher und Bergführer Mario Casella und sein russischer Freund Alexej Shustrov im Frühjahr 2009 erlebten! Auf einer idealen Linie von Derbent am Kaspischen Meer (bekannt für seine Ölvorkommen, deshalb Schwarz) nach Sotschi am Schwarzen Meer hätte die Skidurchquerung des weissen Kaukasus eigentlich verlaufen soll. Allein bürokratische und meteorologische Hindernisse und Schwierigkeiten führten dazu, dass die beiden Unentwegten immer wieder nordwärts ausweichen mussten. Was sie dabei erlebten, schildert Casella auf sehr eindrückliche Art. Zwischen die Etappen setzt er geschickt Kapitel zur Geschichte und Gegenwart dieser wunderschön-wilden Konfliktzone. Eine historische und sportliche Recherche vom Rande und Dach Europas. Wer „Schwarz Weiss Schwarz“ gelesen hat, wird den Kaukasus mit andern Augen sehen, ohne dort gewesen zu sein. Nachmachen wäre heute ohnehin kaum noch möglich, denn der Kaukasus ist noch schwieriger zum Durchqueren geworden.
Fazit: Ein grossartiges, nachdenklich machendes Buch über eine Reise mit (und ohne) Ski durch das grosse Schwestergebirge der Alpen.
Mario Casella: Schwarz Weiss Schwarz. Eine abenteuerliche Reise durch das Gebirge und die Geschichte des Kaukasus. AS Verlag, Zürich 2016, Fr. 29.80. www.as-verlag.ch.
Am Bergfahrt Festival im bündnerischen Bergün vom kommenden verlängerten Wochenende zeigen Mario Casella und Fulvio Mariani ihren Skifilm „Inverno Afghano“ – eine Liebeserklärung an Berge, von denen wir ebenfalls kaum etwas wissen; Samstag, 17. Juni 2016, 16 Uhr. Das ganze hochkarätige, weitgefächerte und überraschende Programm dieser ersten Durchführung der Entdeckungsreise zur alpinen Kultur auf www.bergfahrt-festival.ch