Schweizer Bergbau

Zwei neue, reicht bebilderte Bände vertiefen sich im helvetischen Untergrund.

«Während der Zeit, in welcher ich bei der Schweizerischen Geotechnischen Kommission SGTK für die historischen Rohstoffe der Schweiz zuständig war, befuhr ich zahlreiche Bergwerke und hatte dabei noch das Glück, Menschen kennenzulernen, die früher selber in diesen Bergwerken gearbeitet hatten. Ich erfuhr von den Schicksalen dieser Bergleute, erlebte, in welch unwegsamem Gelände sich die Bergwerke befanden und welche Strapazen die Menschen auf sich nahmen, um an die damals noch begehrten, oder einfach nur benötigen Rohstoffe zu gelangen.»

Mit diesem Absatz leitet Roger Widmer seinen prächtigen Bildband zur Geschichte und Aktualität des Bergbaus hierzulande ein. In «Bergwerke. Schweizer Bergbau. Die Geschichte von Glücksrittern» begegnet man der steinreichen Schweiz einmal ganz anders: Asphalt, Kupfer, Gold, Eisen, Kohle, Schiefer, Gips, Salz, Blei, Erdöl, Ölschiefer, Kobalt und Quarzsand. All das wurde hierzulande abgebaut. Manchmal mit Erfolg: Mit dem Asphalt aus dem Val de Travers wurden die Champs-Élysées überzogen, der Quarzsand aus Buchs fand für die bekannten grünen Bülacher Einmachgläser Verwendung. Andere Minen lohnten kaum den Aufwand der Bohr- und Locharbeiten. In letzter Zeit interessieren sich die Menschen immer mehr für den Bergbau in der Schweiz. Es entstehen Bergmannsvereine, und verfallene Stollen werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Höchste Zeit für ein entsprechendes Buch. Nach einer Einleitung zu Rohstoffen, Lagerstätten und Abbautechnik stellt Roger Widmer 22 Bergwerke aus dem ganzen Land näher vor, mit historischen Fotos und Plänen, eigenen Farbfotos von heute sowie mit Infos, wie und wann die Bergwerke besucht werden können (oder auch nicht). All das weckt Lust und Neugierde, die unterirdische Schweiz noch näher kennenzulernen; sicherer ist‘s jedoch, sich nicht auf eigene Faust in die Stollen vorzuwagen.

Das gilt auch für die Bergbaustätten im Kanton Neuenburg, die Maurice Grünig im Bildband  «L’extraction minière en terre neuchâteloise. Une histoire méconnue» vorstellt. An der Oberfläche wurden die Zeichen dieser industriellen Vergangenheit durch nachwachsenden Wald vielerorts ausgelöscht. Von den zahlreichen und imposanten Gebäuden sind oft nur noch einige moosbewachsene Ruinen übrig geblieben; im Untergrund sind die verlassenen Stollen teils durch Einstürze verfallen. Aber sie sind noch sichtbar und werden nun auf Papier zu neuem Leben erweckt. Der erste Teil des reich illustrierten Werkes befasst sich mit der Geologie und der Entstehung des Jura, der die für die Zement- oder Asphaltproduktion günstigen Gesteine nahe an die Oberfläche brachte, sodass sie Millionen von Jahren später abgebaut werden konnten. Weiter geht es mit den ehemals in der Schweiz abgebauten Rohstoffen, dann mit der Neuenburger Bergbaugeschichte im 18. Jahrhundert aus wirtschaftlicher und politischer Sicht. Der zweite Teil beschreibt die Neuenburger Bergbaustätten nach den abgebauten Gesteinen und ihrer Verwertung. Am bekanntesten ist die Asphaltmine La Presta im Val de Travers, seit 1987 ein Besucherbergwerk. Im gleichen Tal, am oberen Eingang in die Areuse-Schlucht, versteckt sich die Kalkmine Furcil mit einer Stollenanlage von rund 11 km Länge auf drei Sohlen; die überirdischen Gebäude stehen noch, die Stollen sind teilweise eingestürzt, und gleich oberhalb der 1935 eingestellten Mine verläuft die Via ferrata du Tichodrome. Ebenfalls im Val de Travers befinden sich die Kalkbergwerke von St-Sulpice. Dort transportierte anfangs des 20. Jahrhunderts eine Seilbahn das aus dem Berg geholte Material direkt zur Verarbeitung in der Zementfabrik im Tal – eine der ersten Luftseilbahnen im sowohl stein- wie seilbahnreichen Land.

Roger Widmer: Bergwerke. Schweizer Bergbau. Die Geschichte von Glücksrittern. AS Verlag, Zürich 2024. Fr. 49.80. Die französische Ausgabe, ebenfalls im AS Verlag: Mines. L’industrie minière en Suisse. Une histoire d’aventuriers.

Maurice Grünig: L’extraction minière en terre neuchâteloise. Une histoire méconnue. Cahiers de l’Institut neuchâtelois, nouvelle serie, cahier 39. Éditions Livreo-Alphil, Neuchâtel 2024. Fr. 65.-

Drei Hinweise für interessierte Bergbau-Leute.
Erstens die Schweizerische Gesellschaft für Historische Bergbauforschung (SGHB) und ihre Zeitschrift «Minaria Helvetica»: www.sghb.ch.
Zweitens das im Entstehen begriffene Bergbaumuseum von Werner Bellwald und der Stiftung Untergrund Schweiz in Ried bei Blatten im Lötschental: https://kulturexpo.ch/untergrund/
Drittens die Bergwerks-Liste zur Schweiz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Bergwerken_in_der_Schweiz

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