Sie & Er

Eisige Gletscher, wogende Busen, würzige Lippen. Bergerotik war schon immer deftig und heftig. Unser Rezensent rehabilitiert ein verrufenes Genre der Alpinen Literatur, das allmählich salonfähig zu werden scheint.

Mimili

„Ich ging im Zimmer auf und ab, ich hörte noch in meinem Innern die sanften Töne ihres Spiels, ich fühlte noch ihre Arme auf meinen Achseln, ihre würzigen Lippen auf meinem Munde, die Fülle ihres wogenden Busens auf meiner überseligen Brust.“

Dass ich Euch den alpinen Erotik-Roman „Mimili“ von Heinrich Clauren bis jetzt vorenthalten habe! Liegt es vielleicht daran, dass es den einstigen Bestseller nicht mehr als keusches Reclam-Bändchen gibt? Oder wollte ich im nächsten Jahr darauf eingehen, wenn es 200 Jahre her sein wird, dass sich der deutsche Offizier Wilhelm nach der Bergbauerntochter Mimili erstmals schier verzehrte? Und mit ihm die Leser, die im Berner Oberland verzweifelt nach dem Vorbild der Romanfigur suchten und sich mit dem Anblick der Jungfrau und ihren beiden Silberhörnern trösten mussten. Wie auch immer: Auf http://gutenberg.spiegel.de/buch/mimili-1691/1 könnt Ihr die Fortsetzung der Liebesgeschichte lesen.

Cover L'Alpe 68

Wer im eben sich öffnenden Frühling Lust auf lustvolle Lektüre verspürt, sollte „Mimili“ kennenlernen. Und kann sich noch zwei weiteren Werken zuneigen. Da ist einmal die jüngste Nummer der edlen Zeitschrift “L’Alpe”: Nicht ganz zufällig ist es die 68. Ausgabe, die sich dem „Sexe de l’alpe“ widmet. Das „numéro (presque) érotique“ nähert sich mit sechs neckischen Beiträgen dem Thema Sie & Er. Da sind die gemalten Nackten im Schnee von Alfons Walde (beispielsweise auf dem Titelbild), die fotografierten von Georges-Louis Arlaud und Marcel Meys auf dem Gipfel. Dort sind die teils sehr freizügigen Plakate von Arosa und Champéry, die Maelle Tappy in einem klugen Essay enthüllt. Natürlich sind auch frivole Postkarten der felsig-eisigen Jungfrau abgebildet. Wie jene, auf der ein galanter Herr die schon etwas entblösste Dame mit folgendem Spruch unter dem Titel „Die schüchterne Jungfrau!“ ganz zu verführen versucht: „Aber liebes Kind, wir doch ganz alleine auf dieser Karte!“

Grand Hôtel - Addio Neve

Alleine zu zweit sind auch die gemalten Figuren auf den Titelbildern der italienischen Zeitschrift „Grand Hôtel“. Sie meistens vollbusig wie ein Pin-up-Girl, er sportlich-locker wie James Dean. Diese Wochenzeitschrift kam 1946 auf den Markt und entführte die Leser und Leserinnen in eine bessere Welt als die Kriegsjahre. Ein Ausflug mit dem Fiat ans Meer oder in die Berge: Gab es für ein verliebtes Paar verlockendere Träume? Die Ausstellung „L’Italia di Grand Hôtel. Il sogno e la montagna“ im Museo Nazionale della Montagna „Duca degli Abruzzi“ in Torino zeigt noch bis zum 19 April 2015 eine Auswahl der hübschesten Covers. Wie beispielsweise das vom 26. Februar 1949 mit dem Titel „ADDIO NEVE!“

„Ich lag auf blumigem Rasen, und drüben die eisigen Gletscher. Selbst der Gipfel meiner Alpe war noch mit Schnee bedeckt“, lesen wir im ersten Kapitel von „Mimili“. Im dritten hat der Schnee die Unterlage gewechselt: „Mimili reichte mir aus der süßen Tiefe ihres schneeweißen Busens ein himmelblaues, einfaches Blümchen. ‚Hebt Euch das auf, und denket dabei mein. Wir nennen es Mannstreu, ich habe es heute Morgen gepflückt zu den Füßen der Bank, wo der viele Klee blüht; und nun lebt wohl, mein einziger Freund auf dieser Welt.‘“ Er ohne Sie?

L’Alpe n° 68, printemps 2015: Le sexe de l’alpe, € 18.-, Fr. 26.-. www.lalpe.com.

L’Italia di Grand Hôtel. Il sogno e la montagna, Cahier Museomontagna No. 186, € 15.-; Museo Nazionale della Montagna „Duca degli Abruzzi“, Piazzale Monte dei Cappuccini, 7, I-10131 Torino, www.museomontagna.org.

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