Silence

Einen besseren Zeitpunkt für dieses Buch als die letzten und kommenden Wochen gibt es kaum. Wenn laufend fussballerische Jubelschreie und Wehklagen ertönen, ist Stille Balsam – zum Beispiel mit diesem eindrücklichen Bildband von Caroline Fink.

„Stille bedeutet die Freiheit, zu hören, was man hören will, und nicht, was man hören muss, weil man ihm freiwillig nicht entgehen kann.“

Schreibt der Schweizer Schriftsteller Beat Sterchi – sein bekanntestes Werk „Blösch“ spielt teilweise an einem ganz lauten Ort, nämlich im Schlachthaus – im Vorwort zu einem ganz stillen Buch. Einem, das nicht um Aufmerksamkeit schreit, nicht mit knalligem Titel verblüfft und nicht mit einem lauten Cover zum Kauf verführt. „Silence“ heisst es. Das französische und englische Wort für Stille, Ruhe, Schweigen, Geräuschlosigkeit, auch Pause (in der Musik). Mit einem Ausrufezeichen versehen, bedeutet es: „Ruhe bitte!“ Wir halten uns daran. Und nehmen das Buch von Caroline Fink, Fotografin, Autorin und Filmerin, ganz sorgfältig zur Hand.

„Stille heisst, ein Pause einlegen, um Dinge wiederzuentdecken, die uns Freude bereiten.“ Schreibt der Norweger Erling Kagge in seinem 2017 erschienen Buch „Stille. Ein Wegweiser.“ Genau hier ist diese Stille, von Caroline Fink mit der Kamera erfasst. Mit vier Seiten Text auch noch beschrieben. Aber „Silence“ ist natürlich in erster Linie ein Fotobuch. Ein visueller Wegweiser, wo Stille gehört werden kann. Mit diesen Bildern tauchen wir ein in eine stille Welt aus der halben Welt, vom Uetliberg bis zur Dune du Pyla in Frankreich, vom Klöntal bis nach Spitzbergen. Nahaufnahmen wechseln ab mit Panoramabildern. Eine Symphonie der Farben, aber nicht durcheinander, sondern in sich ruhend. Weisse Landschaften immer wieder, schön und stumm. Grüne Oasen. Himmel. Sand. Eine Geröllhalde, die wir glücklich nur anschauen. 84 ein- bis doppelseitige Fotos, die eindringlich eine Ruhe beschwören, die uns abhanden gekommen ist.

„Die Stille kann man betreten. Die Bilder in diesem Buch laden dazu ein.“ Schreibt Sterchi. So ist es. Man kann sie sehen, fühlen, vielleicht auch riechen und schmecken. Die Stille ist greifbar auf diesen Fotos, weniger mit der Hand als mit Kopf und Bauch. Es gibt Fotos, die sind wie fast monochrome Gemälde. Anders gesagt: Man möchte sie nicht nur zusammen gebunden sehen. Sondern auch einzeln und grossformatig, in einem ruhigen Raum. Doch warum nicht auch an einem lärmigen Ort. Als Kontrapunkt, Aufforderung, Erinnerung: „Silence!“

„Es begann mit Schnee. Ab und zu machte ich während Skitouren Bilder, auf denen fast nur Weiss zu sehen war“, schreibt Caroline Fink in der Einleitung. „Die Bilder entstanden absichtslos. Sie machten mir Freude. (…) Erst mit der Zeit fragte ich mich: Warum fand ich Gefallen an Bildern, die kaum etwas zeigten? Verschiedene Antworten tauchten auf: Weil ich leere Landschaften mag. Weil ich das Subtile mag. Weil es mich amüsiert, Bilder zu machen, die das Gegenteil der ‚lauten‘ Bilder im Bereich Bergsport sind.“

Caroline Fink: Silence. AS Verlag, Zürich 2018, Fr. 48.- www.as-verlag.ch, www.caroline-fink.ch

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