Sizilianischer Hard Rock

San Vito Lo Capo im Nordwesten Siziliens ist für Kletterer zur Top-Destination geworden. Diesen Herbst haben wir uns aufgemacht, das Felseldorado an der Küste des tyrrhenischen Meers zu erkunden.

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Nachts sind die Felsen hinter dem Zeltplatz rot und grün beleuchtet, auf der andern Seite schlägt die Meeresbrandung gegen felsige Riffe. Die Sonne sinkt in Nebelbänke, ein Bild wie aus dem Ferienprospekt. Oh, wir sind ja in den Ferien.
Nach dem Klettern sind wir im Swimming Pool geschwommen, dann haben wir auf der Terrasse des Restaurants Kaffee getrunken, später einen Apero genehmigt. Es ist Oktober und es ist heiss. Vor dem Einschlafen Jagd auf Mücken, dann früh hinaus. Der erste Sektor der kilometerlangen Scogliera di Salinella ist in fünf Minuten erreicht. Wir sind nicht die ersten. Im Morgenschatten tummeln sich schon Kletterpaare und Kletterfamilien und Kletterrentner, Klettermütter mit Babies im Tragsitz machen sich bereit zum Aufwärmen. Einmal fragt ein Klettervater, der sein Baby in einer Höhle deponiert hat, man solle ihn rufen, wenn es schreie, er klettere mit seiner Frau im Sektor nebenan. Willkommen im Kletterresort El Bahira, dem Camping zwischen Fels und Meer.
Der Fels ist grandios, rauh und fest und griffig, also noch nicht so abgespeckt wie anderswo. Die Routen abwechslungsreich, gut abgesichert und sinnvoll eingebohrt, die Bewertung meist moderat. Das stärkt das Selbstbewusstsein, obwohl man ja eigentlich weiss: Das wäre in Finale keine 6a, sondern eher 5c. Aber wir sind ja jetzt in Sizilien, zum ersten und vielleicht nicht zum letzten Mal. Freundlich ist im Camping El Bahira alles (ausser die Bedienung gelegentlich), familienfreundlich und oldiefreundlich und sportfreundlich und überhaupt. Alles recht sauber und praktisch und auf die kletternden Gäste aus aller Welt zugeschnitten: Schweizer, Deutsche, Russen, Tschechen, Franzosen, Engländer haben wir getroffen. Das Personal weigert sich standhaft, italienisch zu sprechen. Wir haben Verständnis, es ist eine Botschaft: Wir gehören zur Welt, genauso wie ihr, auch wenn wir hier nur einen minderen Job machen.
Klettern könnte man hier ein Leben lang, sofern man sich am Gewusel um die Einstiege nicht stört. Gelegentlich ist ja sogar die Wunschroute frei, und sonst findet sich sicher eine andere oder ein Sektor, der nicht direkt an der Ameisenstrasse liegt und somit etwas weniger frequentiert ist. Die Stimmung ist jedenfalls friedlich und fröhlich. Eher selten haut jemand mit der Faust auf den Fels, weil er die Stelle nicht auf Anhieb schafft. (Es würde ja auch schmerzen, der Fels ist so rauh.)
Wems zu bunt wird, der kann ja in eines der vielen Gebiete der Insel ziehen, die nicht so top-in sind wie San Vito. Etwa in die Cavadonna bei Siracusa (falls er sie findet), eine ziemlich versteckte Schlucht mit steilem Zugang und fantastischen Routen, wo wir nur zwei Deutsche getroffen haben, die dort ein paar Tage mausallein das ganze Gebiet abkletterten. Total begeistert. Um den steilen Aufstieg zu umgehen, empfahlen sie uns, eine 6a zu klettern, die bis zur Hochfläche führt. Mit schwerem Rucksack im Nachstieg bei etwa 35 Grad ein Erlebnis der besonderen Art.
Zwischendurch auch mal eine Wanderung im Naturschutzgebiet Riserva dello Zingaro, wo es auch schöne Badestrände gibt, oder auf den Monte Cofano – zumindest ein Stück weit, bis uns ein heisser Sturm vertreibt, der direkt aus Afrika zu kommen scheint. In der Nacht dann ein grandioses Schauspiel: die ganze Bergflanke über der Scogliera steht in Flammen. Buschfeuer, vielleicht bewusst gelegt oder durch eine Zigarette aus dem Autofenster entfacht. Stimmen in der Nacht, die befürchten, das Feuer könnte über die Felswand herab das Camping in Brand setzen. Wo bleibt die Feuerwehr? Am Morgen ist der Spuk vorbei, die Bergflanke schwarz, da und dort steigt noch etwas Rauch auf.
Nach einer Woche verlassen wir unser Casa Mobile, ziehen weiter und denken schon darüber nach, wann wir zurückkehren werden.

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